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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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»Verzeihung. Alexander.«
    Der Oberst blickte von dem Blättchen auf, und in seiner Miene stand blankes Staunen.
    »Wo ist der Junge?«, fragte er heiser. »Ist er hier?«
    »Er wartet in der Kutsche vor der Tür. Darf ich...«
    Jan Martin wollte bitten, Alexander eine Nachricht überbringen zu dürfen, da war Dettering, in Hausjacke und blumenbestickten Samtpantoffeln, schon an ihm vorbeigestürmt und auf dem Weg zur Haustür.
     
    Alexander hatte in leicht befangener Stimmung gewartet, nicht sicher, ob ihn ein freundlicher Empfang erwartete. Doch plötzlich wurde der Kutschenschlag aufgerissen, und Dettering zerrte ihn am Ärmel förmlich nach draußen.
    »Alexander! Mein Gott, Alexander! An meine Brust, Kerl!« Ungestüm wurde er umarmt und musste lachen, als Dettering ihm beinahe die Rippen zu brechen drohte.
    »So verzeihen Sie mir meinen üblen Abgang vor zehn Jahren, Mylord?«
    »Nein, aber das hindert mich nicht daran, mich teuflisch darüber zu freuen, dich wiederzusehen. Komm herein! Herein mit dir!«
    Kurz darauf saßen sie zu dritt am Kamin, Cognacschwenker in den Händen, und Sir Nikolaus wollte wissen, was sie hergeführt habe.
    »Mein Freund Jan Martin will mit einigen Botanikern hier in London über den Bau von Hothouses fachsimpeln, und ich bin auf dem Weg nach Bristol. Es war mir ein Bedürfnis, Sir, bei Ihnen vorzusprechen und mich für mein damaliges Verhalten zu entschuldigen. Ich war sehr undankbar. Und sehr dumm. Darf ich fragen... ähm … wie es Ernestine geht?«
    »So, so, dir ist inzwischen klar geworden, was du angerichtet hast?«
    »Ich fürchte, ich habe ihr großen Schmerz bereitet.«
    »Es geht ihr blendend, Gott sei Dank. Aber damals habe ich einige Abende lang die verheulten Augen meiner Tochter ertragen müssen. Indes, die Jugend hat das wunde Herz bald geheilt, und nun ist sie mit einem aufstrebenden Juristen aus bestem Stall verheiratet. Drei Enkel, acht, sechs und drei Jahre alt, stellen gelegentlich meinen wohlgeordneten Haushalt auf den Kopf.«
    »Das freut mich für sie. Auch die anderen Damen der Familie sind hoffentlich wohlauf?«
    »Victoria hat nach Schottland geheiratet und bekommt eben ihr zweites Kind. Ihre Mutter ist bei ihr, weshalb mein Heim derzeit völlig verwaist wirkt. Aus diesem Grund, meine lieben jungen Herren, würde ich vorschlagen, wir begeben uns in meinen Club. Man reicht ein ganz erträgliches Essen dort. In der Zwischenzeit kann die Haushälterin euch die Zimmer richten. Nein, nein, versucht es gar nicht erst. Ihr wohnt hier!«
    Dettering stand auf und bellte einige Befehle in den Flur, was Jan und Alexander erheiterte.
    »Einmal preußischer Offizier, immer preußischer Offizier«, flüsterte Alexander.
    »Bengel, glaub nicht, dass meine Ohren gelitten hätten. Aber es ist noch immer das alte Schlachtschiff, das hier das Regiment führt. Doch ihr Gehör ist im Schwinden begriffen.«
    Der Oberst machte einen ungeheuer gut gelaunten Eindruck, und so beugten sie sich seinem Diktat. Eine Stunde später war ihr Gepäck vom Hotel abgeholt und ihr Gastgeber in eine repräsentable Uniform gekleidet.
    »Wir gehen zu Fuß, meine Herrn. Der Cocoa Tree ist nicht weit!«
    »Kakaobaum?« Verdutzt sah Jan Martin seinen Gastgeber an. »Der Kakaobaum ist mein Forschungsgebiet. Wird er hier etwa mit Erfolg angepflanzt?«
    Dettering lachte, als sie auf die dämmrige Straße traten. »Oh, nein, junger Freund. Einst war der Club zwar ein Café, in dem möglicherweise auch Schokolade ausgeschenkt wurde, doch den Namen hat er von der Dekoration. Ihr werdet es gleich sehen.«
    Der Cocoa Tree, erfuhren sie, war nur besonders privilegierten Herrn zugänglich, man wählte seine Mitglieder sorgsam aus, damit die Anwesenden sich darauf verlassen konnten, stets Gleichgestellte, vor allem aber Gleichgesinnte vorzufinden. Es ging ausgesucht ruhig zu in den gediegen möblierten Clubräumen, wenngleich sich zu späteren Stunden in einigen Nebenräumen auch kleine Gruppen zum Hasardspiel zusammenfanden. Das jedoch reizte Dettering und seine Gäste nicht. Sie ließen sich von dem gut geschulten Personal durch einen hohen Raum führen, wo sich unter den künstlichen Blättern eines Kakaobaumes etliche Sitzmöbel gruppierten. Staunend betrachtete Alexander einen ältlichen Herrn in dem tiefen Fauteuil, den ihre Ankunft aus seinem wohligen Dösen aufschrecken ließ. Er bedachte die Störenfriede mit einem strafenden Blick unter seinen buschigen Brauen, nahm einen großen Schluck von seinem

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