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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Whiskey, deckte die Times über sein Gesicht und versank wieder in leicht beduselte Träume.
    »Wir wollen speisen, und du erzählst mir in kleinen Häppchen, was dir widerfahren ist, Alexander«, bat Dettering, als sie an einem gedeckten Tisch Platz nahmen. Und umgeben von Silberbesteck und Kristallgläsern, Damastservietten und zartem Porzellan berichtete Alexander von ölverschmierten Dampfmaschinen in Berlin, verräterischen Turnübungen in Elberfeld, selbstgekochtem Essen in der Feste Jülich und der Eigenkonstruktion eines water closets in seinem Häuschen bei Köln. Mehrfach entfuhren seinem väterlichen Gönner Ausdrücke des Erstaunens. Vor allem bei der Erwähnung von Waldegg und seinem Bruder David von Hoven.
    »Gott, ich kenne sie. Wir sind uralte Freunde. Wie klein die Welt doch ist. Aber sag, Alexander, hast du jemals herausgefunden, wer deine Eltern sind?«
    »Das, lieber Sir, wollte ich Ihnen gerade erzählen.«
    Stumm hörte der Oberst zu, und dann rieb er sich mit beiden Händen das Gesicht. Als er wieder aufsah, sagte er leise und tief bewegt: »Das also ist die Wahrheit. Wie falsch wir damals gelegen haben, als wir nach einem gefallenen preußischen Offizier suchten! General von Massow – Himmel, ich habe ihn vor gut fünfzehn Jahren selbst getroffen, als er und Lady Henrietta in einer diplomatischen Angelegenheit in London weilten. Wie entsetzlich! Junge, du hast ja zu diesem Zeitpunkt schon in meinem Haushalt gelebt!«
    »Wir können Vergangenes nicht ändern, Sir Nikolaus. Es besteht kein Anlass, darüber auch nur einen sorgenvollen Gedanken zu verschwenden. Ich bin nun auf dem Weg zu der Familie meiner Mutter in Bristol, um sie kennenzulernen. Unser bisheriger Briefwechsel lässt mich auf einen herzlichen Empfang hoffen.«
    »Den wirst du bekommen. Du hast dich verändert, Alexander. Die Tiefen, die du durchwandert hast, scheinen manch raue Stelle glatt geschliffen zu haben. Damals warst du ein intelligenter Kerl, der seinen Weg machen wollte. Vielleicht ein wenig zu skrupellos in deinem Ehrgeiz, aber brillant im Denken und im Umsetzen von Ideen. Ich gönne dir aufrichtig deinen Erfolg und deinen neuen Status. Dass du den Titel nicht verwenden willst, erstaunt mich übrigens nicht. Du bist viel zu selbstbewusst und zu stolz, um dich mit geschenkten Federn zu schmücken.«
    »Nein, das war nie mein Wunsch. Aber die finanzielle Unterstützung, die mein Vater mir angeboten hat, habe ich angenommen, und nun bin ich Mehrheitspartner in einem kleinen, aber gediegenen Maschinenbau-Unternehmen, das ich gewillt bin, zu einer der führenden Fabriken des Landes auszubauen.«
    »Das wird dir mit Sicherheit gelingen – wenn du deine Neigung zügeln kannst, irgendwelchen preußischen Beamten öffentlich die Hosen auszuziehen.«
    Diese Anekdote hatte Dettering besonders erheitert.
     
    Zehn Tage später wurden Jan Martin und Alexander in einem der schlecht gefederten Wagons der neuen Eisenbahnstrecke zwischen London und Reading die Seele aus dem Leib geschüttelt. Man hatte kostensparend alte Postkutschen auf die Schienen gesetzt, was nicht nur ihren, sondern auch den Unwillen aller anderen Reisenden erregte. Doch in ihren Taschen hatten beide Empfehlungsschreiben, die ihnen verschiedene Türen öffnen würden. Einige davon führten sie sogar bis nach Irland. Jan Martin würde den Leiter des botanischen Gartens in Belfast aufsuchen, wo soeben eines der allermodernsten gläsernen Gewächshäuser gebaut wurde. Alexander hatte beschlossen, ihn zu begleiten, und war mit einigen Schreiben an Dampfschiffbauer in Belfast ausgestattet. Davor aber stand eine Einladung seines Cousins George, der ihm die maschinellen Einrichtungen der Schokoladenfabrik Fry vorführen wollte und begeistert darauf wartete, mit seinem technisch versierten Verwandten kniffeligste Fragen zu erörtern.
    Der Besuch war für alle Beteiligten erfreulich, wenngleich Alexander tief betroffen die Nachricht hörte, Nanny sei kaum ein halbes Jahr zuvor friedlich entschlummert. Seine alte Kinderfrau hätte er zu gerne noch einmal wiedergesehen.
    Die Fry’sche Fabrik überraschte Alexander. Nicht nur, weil pünktlich jeden Morgen um neun Uhr eine Glocke ertönte, die die Belegschaft zusammenrief, um der Bibellesung durch den Fabrikanten Francis Fry zu lauschen. Ihn faszinierten viel mehr die langen Reihen von Röstöfen. In rotierenden Hohlwalzen wurden die Bohnen erhitzt und dann in bewegliche Schübe entleert, die zum nächsten

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