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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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unterschiedliche Ergebnisse erzielt«, warf Maximilian ein.
    »Führst du auch über uns Buch, Jan? Dann trage sorgfältig die Wirkung ein, die dieses köstliche Gesöff auf unsere Verbrennung hat«, schlug ein Kollege vor.
    Alle lachten und tranken den heißen, gewürzten Wein.
    »Genussmittel haben eine nicht zu unterschätzende Wirkung«, meinte Jan, ernster als die anderen, als er seinen Becher absetzte.
    »Natürlich. Sie machen glücklich.« Wieder prostete einer ihm zu.
    »Weshalb Brot und Rumfordsuppe nicht ganz ausreichen und die Leute noch immer an der Branntweinflasche hängen.«
    »So ist es. Zucker, meine Herren, ist eine der Antworten!« Maximilian war mutiger geworden und deutete auf den schwindenden Zuckerhut. »Der Mensch braucht Süßes, doch für die Armen ist er noch immer ein rares Gut.«
    »Junge, Junge, ein Weltverbesserer!«
    »Ja, na und?«
    »Er hat vollkommen recht!«, kam ihm Jan Martin zu Hilfe. »Eine gute Freundin von mir hat einmal bei einer Armenspeisung Schokoladenkekse verteilt. Ich halte das für eine gute Idee. Stell den Kindern Süßes in Aussicht, und sie essen auch die weniger schmackhaften, aber nahrhaften Suppen und Brote.«
    »Hunger ist die beste Würze, warum den Proletariern teure Schokolade andienen?«
    »Weil jedes Kind Anrecht auf etwas Glück hat, unbesehen seiner Herkunft«, ereiferte sich Maximilian, und Jan trat ihm unter dem Tisch leicht auf den Fuß. Man mochte ja durchaus liberale Ideen vertreten, aber sein Enthusiasmus war in diesem Kreis nicht ganz passend. Vorsichtig brachte Jan Martin die Diskussion wieder auf emotionslosere Themen wie etwa die Extraktion von Alkaloiden und ihre Wirkung auf den Organismus. Es war ihm nämlich gelungen, aus der Kakaobohne eine Substanz herauszulösen, die dem Coffein ähnlich zu sein schien.
    »Tatsächlich? Hast du sie schon analysiert?«
    »Nein, es ist ein sehr aufwendiges Verfahren. Aber mit der Zeit werde ich die molekulare Struktur schon noch herausfinden.«
    »Hoffen wir nur, dass dir keiner zuvorkommt. Dann kannst du dem Zeug deinen Namen geben – Jantzenin oder so ähnlich.«
    »Bloß nicht. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass derzeit jemand daran arbeitet. Der Kakao ist mein ganz persönliches Steckenpferd.«
     
    Der Abend endete friedlich, wenn auch Maximilian und Jan sich auf dem Heimweg gegenseitig immer mal wieder stützen mussten. Der junge Briesnitz hatte in der Nähe der Universität eine einfache Unterkunft gefunden, weshalb sie einen Großteil des Weges gemeinsam wanderten. Als sie an der Baustelle des neuen Bahnhofs vorbeikamen, hatte die kalte Nachtluft ihnen die schlimmsten Schwaden der Feuerzangenbowle aus dem Kopf geweht. Aber noch nicht alle.
    »Jan, wir wollen in die Sternstraße gehen«, schlug Maximilian vor.
    »Warum, Junge? Es ist nach Mitternacht.«
    »Ich will der süßen Melisande ein Ständchen bringen.«
    »Keine gute Idee.«
    »Find ich doch. Du hast gesagt, der Mensch braucht etwas Süßes!«
    Zielstrebig lenkte er seine Schritte in die Straße, in der Amara und Melisande wohnten, und sang mit einem schönen Bariton:
    »Steh ich in finstrer Mitternacht
    so einsam auf der stillen Wacht,
    so denk ich an mein fernes Lieb,
    ob mir’s auch treu und hold verblieb.«
    »Pssst, Max, du weckst die ehrbaren Bürger.«
    »Die schlafen sowieso zu viel«, widersprach Max und versuchte, einen Schluckauf zu unterdrücken. Von seinem Ziel ließ er sich auch durch Jan Martins Zerren nicht abbringen, und als er unter den Fenstern der Konditorei stand, stimmte er mit tiefem Gefühl an: »Sah ein Knab ein Röslein stehn...«
    Er hatte die zweite Strophe noch nicht begonnen, da ging im zweiten Stock das Fenster auf.
    »Seid ihr völlig verrückt geworden?«, zischelte eine schemenhafte Gestalt in einem weiten weißen Hemd.
    »Die weiße – hüps – Dame selbst. Schöne Melisande...«
    »Jan, erwürg ihn, und schleif ihn rein. Ich mache die Tür auf!«
    Das Fenster wurde mit einem Knall geschlossen, und Jan Martin hielt wunschgemäß seinem sangesfreudigen Begleiter den Mund zu. Kurz darauf ging die Haustür auf, und Melisande, mit Laterne und in einem dicken Umschlagtuch, winkte sie herein. Sie folgten ihr in die Küche, wo sich Maximilian schwer auf einen Stuhl fallen ließ.
    »Feuerzangenbowle«, erläuterte Jan Martin kurz.
    »So, so. Die weckt derart große Musikalität?«
    »Wollt dir ein Scht...Schtänschen bringen, süße Melisande.«
    »Zum Dank werde ich euch einen Kaffee bringen. So stark,

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