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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Palmenhaus. Und hier erlaubte er sich, mich ohne Vorwarnung und ohne zu fragen, gründlich zu küssen.
    Ich wehrte mich nicht.
    Ich hatte es ja herausgefordert.
    Nur leider weckte es viel mehr in mir, als es sollte.
    Darum verschwand Mademoiselle Violetta auch sehr schnell vom Ball und verbrachte anschließend eine ruhelose Nacht.
     
    Inzwischen glaubte ich mich wieder besser im Griff zu haben, aber als ich mich in dem Veilchenkleid im Spiegel sah, schnürte es mir wieder den Atem ab. Nicht nur wegen des engen Korsetts.
    »Bist du sicher, dass er nicht wusste, wen er vor sich hatte, Amara?«
    Wie üblich konnte Melli viel zu genau in meinem Gesicht lesen.
    »Er hat nie eine Andeutung gemacht.«
    »Und warum machst du keine?«
    »Weil wir uns die letzten beiden Male in Gegenwart von Julia getroffen haben. Er meidet mich, Melli.«
    »Weshalb zu vermuten steht, dass er es sehr wohl wusste. Ihr seid schon ein schwieriges Paar. So, und hier ist die Schürze, den Korb mit den Zutaten habe ich unten bereitgestellt und ich glaube, die Kutsche ist bereits vorgefahren. Viel Erfolg bei der Rheingräfin, Liebes!«
     
    Die Villa Schaafhausen war ein skurriler Bau, dessen Architektur sich dem romantischen Burgenbau entlehnte. Aber es gab seit einigen Jahren eine starke Strömung, besonders bei den aus dem Bürgertum aufgestiegenen Reichen, sich mit den Attributen des alten Adels vornehmlich mittelalterlicher Provenienz zu schmücken. Ich trat also durch das Portal und wurde von einem höflichen Bediensteten in den Salon der Rheingräfin geführt. Hier jedoch hatte man den mediävalen Stil vermieden, die Einrichtung war modern und gemütlich. Etwa zwei Dutzend Personen plauderten miteinander, bewunderten seltsame Trinkschalen oder geschnitzte Figuren, die aus den amerikanischen Ländern stammten. Die Hausherrin begrüßte mich freundlich und zeigte mir, wo ich die Kakaogetränke zubereiten sollte. Auf drei Rechauds standen Kessel mit heißem Wasser, angewärmte Milch war vorbereitet, und ein exquisites Schokoladengeschirr wartete auf seine fachgerechte Verwendung. Ich breitete gerade in den Porzellanschüsseln ungeröstete und geröstete Kakaobohnen als Anschauungsmaterial aus, als ein Herr mit einem verschmitzten Lächeln eine violette Frucht dazulegte.
    »Die ursprüngliche Form des Kakaos, junge Dame, sollte nicht fehlen.«
    Ich hatte Abbildungen gesehen, aber in der Hand hatte ich die Kakaofrucht noch nie gehalten.
    »Darf ich?«
    »Aber bitte, nehmen Sie sie. Sie sind die Künstlerin, wie ich hörte, die daraus jene köstlichen Pralinés kreiert? Madame Bevering?«
    »So ist es. Und Sie müssen Herr de Haye sein, der uns heute über die südamerikanischen Kulturen aufklären möchte.«
    Ich erlaubte mir, ihn offen zu mustern, was ihm nicht unangenehm zu sein schien. Sein Alter schätzte ich auf Mitte fünfzig, doch er wirkte nicht behäbig, sondern außerordentlich agil. Schlank und aufrecht, braun gebrannt und mit nicht sehr ordentlich gekämmten, grau melierten Haaren, aber einer selbstbewussten Ausstrahlung. Seine Züge attraktiv zu nennen, wäre zu viel gesagt, tiefe Falten hatten sich in sein Gesicht eingegraben und gaben ihm eine gewisse Schärfe, die sein Lächeln jedoch sofort milderte.
    »Ja, Lothar de Haye. Und wie ich hörte, haben wir einen gemeinsamen Bekannten, Madame Bevering. Doktor Jantzen hat mir bereits von Ihnen und Ihrem exquisiten Geschäftchen berichtet. Und auch mein Neffe lobt Ihre Werke in höchsten Tönen.«
    »Maximilian von Briesnitz ist uns ein stets willkommener Kunde. Von ihm habe ich einige interessante Erkenntnisse über Zucker gewonnen.«
    »Seine Passion. Meine Nichte, Dorothea von Finckenstein, kennen Sie auch?«
    »Flüchtig, Herr de Haye.«
    »Ah!« Er drehte sich suchend um und winkte eine füllige junge Frau zu sich. Ich hätte Dorothea wohl kaum wiedererkannt. Vor sieben Jahren hatte ich sie das letzte Mal gesehen – als sie mich laut schreiend Mörderin schimpfte. Ihre Bestellung vor einem Monat hatte sie schriftlich getätigt, und ihre Beschwerde über die angeblich verdorbenen Süßigkeiten war in einem Brandbrief auf meinem Tisch gelandet. Aus Gründen der Zurückhaltung hatte ich ein nüchternes Entschuldigungsschreiben formuliert und von einer Rechnung abgesehen.
    Sie war früher ein molliges, beinahe süßlich hübsches Mädchen gewesen, jetzt wirkte sie, trotz enger Schnürung, schwammig und aufgedunsen. Als sie den Wink ihres Onkels bemerkte, machte sie zunächst einen

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