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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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violetten Satinbändern abgesetzte Stoff war fast transparent. Um dem Kleid die richtige modische Form zu geben, würde ich gleich in die mit Rosshaar verstärkte Krinoline steigen müssen, ebenfalls ein Zugeständnis an das Ereignis, das mich an diesem Nachmittag erwartete.
    Gewöhnlich trugen Melli und ich, wie schon früher bei Nadina, Blusen und einfache Röcke, selten mehr als drei Unterröcke, und verzichteten auf die einengende Formgebung des Körpers durch festgeschnürte Mieder. Doch es gab inzwischen für uns beide die Verpflichtung, uns hin und wieder dem Modediktat zu beugen, weshalb wir die notwendigen Accessoires angeschafft hatten. Melli trug sie, wenn sie als Sängerin engagiert wurde, was in der letzten Zeit immer häufiger der Fall war. Erst hatte sie bei einigen Zusammenkünften der Studenten und Professoren aus Jans Kreisen ihre Lieder vorgetragen, inzwischen wurde sie auch zu den musikalischen Veranstaltungen der Bonner Gesellschaft eingeladen. Ihr geradezu unerschöpflicher Fundus an Liedern machte es ihr möglich, auch den Geschmack der biederen Bürgerkreise zu treffen. Besonders beliebt waren ihre russischen Lieder und die irischen Balladen, die sie von Jan Martin gelernt hatte. Aber sie kannte auch alle gängigen Operetten und viele lyrisch vertonte Gedichte. Nur wenn wir unter uns waren, griff sie auf Seemanns- und Trinklieder oder anzügliche Chansons zurück.
    Ich hingegen hatte eine Einladung von der Rheingräfin erhalten, was eine besondere Ehre bedeutete. Sie bestellte seit einem Jahr regelmäßig ihre Süßwaren bei mir, und vor einem Monat war sie tatsächlich in unserem Laden erschienen, um persönlich mit mir zu sprechen. Sie war eine reizende Dame, frei von Dünkel und Attitüde. Wir verstanden uns auf Anhieb, und als sie mir ihre Idee vortrug, konnte ich nur mühsam meine Begeisterung unterdrücken. Sie wollte zu Ehren eines weitgereisten Gelehrten, der über die südamerikanische Botanik referieren würde, einen »Schokoladennachmittag« veranstalten. Dazu, so stellte sie sich vor, sollten die unterschiedlichsten Schokoladenprodukte gereicht werden. Als ich ihr von meinen Kakaorezepten berichtete, lud sie mich umgehend ein, an diesem Tag diese Getränke an Ort und Stelle zuzubereiten und ihre Herkunft und Rezeptur zu verraten.
    Melli half mir nun, in die Unterröcke zu steigen, und warf mir dann mit geübter Hand das Kleid über den Kopf.
    Es duftete noch leicht nach Veilchen von seinem ersten Auftritt Ende Februar. Damals trug ich es anlässlich eines Kostümfestes zu Karneval, zu dem uns Jan und Max eingeladen hatten. In eine große Verkleidung wollten Melli und ich nicht investieren, darum hatten wir uns Dominos aus Satin und passende Masken besorgt. Melli hatte für mich eine Rokokoperücke, für sich eine rote Lockenpracht aufgetrieben, unter der wir recht gut unsere wahre Identität verstecken konnten. Es war eine ausgelassene Gesellschaft, in die wir gerieten, und ein jeder gab sich Mühe, den anderen nicht zu erkennen. Wir nannten uns Madame Mystère und Monsieur Nonome, Lord Nameless und Lady Enigma, Herr Rätselhaft und Frau Unbekannt. Mich nannten viele Mademoiselle Violetta, denn meinen Domino und die Maske hatte ich passend zum Kleid in zartem Violett gewählt, und Melli stellte sich als Fräulein Röschen vor. Aus ähnlichem Grund.
    Doch wenn ich auch unsere näheren Bekannten an ihren Stimmen und Gesten erkannte, so hatte ich nicht den Eindruck, irgendjemand würde mich mit der Chocolatière Amara Bevering in Verbindung bringen. Nicht einmal der schwarze Domino, an dessen Schläfe sich eine weiße Strähne durch die Haare zog. Als er mich zum Tanzen aufforderte, verstellte ich meine Stimme und flirtete mit Sir Donnow, wie Alexander sich nannte. Er schien Gefallen daran zu finden, und in der unbeschwerten, ja sogar leichtfertigen Champagnerstimmung, in der sich alle befanden, versuchte ich mich sogar in gewagterem Geplänkel. Es erstaunte mich, dass er darauf einging. Bisher hatte ich ihn für weit ernsthafter gehalten, aber hinter der Maske entblößte er einen ganz neuen Zug seiner Persönlichkeit. Auch er war empfänglich für leichtherzige Schmeichelei und flüchtige Versprechen. Mehr, als ich es zuvor vermutet hatte. Dass er sogar die Gunst der Stunde zu nutzen wusste, brachte mich für eine Weile in arge Bedrängnis. Denn bei unserem dritten Tanz, einem wilden, wirbelnden Walzer, führte er mich geschickt aus der Menge in eine stille Nische hinter einem

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