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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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darüberreiben. Mein Gott, aber warum hat sie das getan?«
    »Eifersucht, nehme ich an. Sie wollte, dass er sich vor dir blamiert. Von den Auswirkungen war sie genauso entsetzt wie wir alle. Aber sie hat etwas daraus gelernt. Denn danach gab es noch andere Fälle, Amara. Der Verwalter auf dem Gut ihres Mannes starb in furchtbaren Krämpfen. Und ihr Gatte ebenfalls – nach Verzehr von Mandelkonfekt.«
    »Aber warum...?«
    »Lothar schweigt darüber, aber er weiß etwas. Ich habe den Verdacht, dass die zwei Männer etwas getan oder von Dorothea gewusst haben, was sie zum Mord getrieben hat.«
    »Auf mich ist sie eifersüchtig gewesen, Melli. Und bedenke, ihr Onkel war der einzige Mensch in ihrem Leben, der sich um sie gekümmert und der ihr aus allen möglichen Patschen geholfen hat. Nun ist herausgekommen, dass er mein Vater ist. Das konnte sie wohl nicht ertragen. Er hat mir erzählt, ihre Eltern hätten ihr kaum Beachtung geschenkt. Deshalb hatte er Mitleid mit ihr, sogar noch, als er von ihren Eskapaden gehört hatte.«
    Die Nachricht erschütterte und erschöpfte mich, und die Trauer um Gilbert, den liebenswerten jungen Mann, der vielleicht meinem Leben eine ganz andere Richtung hätte geben können, verdunkelte mein Gemüt.
    »Ich hätte es dir nicht erzählen dürfen, milaja. Jetzt bist du unglücklich. Aber ich habe eine Medizin dagegen.«
    »Ach ja?«
    »Heute Nachmittag kommt dich Julia besuchen. Sie hat jeden Tag nach dir gefragt.«
    Ich musste tatsächlich lächeln. Dann hatte Alexander ihr also von meiner Erkrankung berichtet. Sie war ein liebes Mädchen, und ich freute mich auf ihren Besuch.
    Mehr aber hätte ich mich darüber gefreut, wenn ihr Vater wenigstens einen kurzen Gruß gesandt hätte.
    »Alexander war übrigens nur mit Mühe davon abzuhalten, Dorothea eigenhändig zu erwürgen«, erklärte Melli unaufgefordert. »Er hätte es vermutlich getan, wäre sie nicht in seinen Armen ohnmächtig geworden. Amara, er war die ganze Zeit hier. Und ich möchte die Behauptung aufstellen, dass er erstmalig in seinem Leben Gebete gesprochen hat. Er hatte furchtbare Angst um dich.«
    »Jetzt ist er fort, nicht wahr?«
    »Er musste. Es hat Probleme bei Nettekoven gegeben. Aber er ist erst abgereist, als zu erkennen war, dass du überleben würdest. Dass er eine Schokoladenfabrik bauen wird, ist, glaube ich, schon beschlossene Sache.« Und Melli zwinkerte mir verschwörerisch zu: »Er wird eine Beraterin benötigen, die ihm die einzelnen Schritte der Herstellung erklärt. Ihr werdet sicher sehr eng zusammenarbeiten müssen.«
    Das war allerdings eine Zukunftsperspektive, die mich wirklich aufheiterte.

Pavane für eine tote Prinzessin
    Ich kenn es wohl, dein Mißgeschick:
Verfehltes Leben, verfehlte Liebe!
    Heinrich Heine
     
     
    Der Pastor in seinem schwarzen Talar mit weißem Beffchen und Barett stand am Grab und schaute über die kleine Gemeinde, die sich versammelt hatte. Der Wunsch des Herrn de Haye hatte ihn leicht befremdet, aber es gab im Grunde nichts daran auszusetzen, dass die Beerdigung in aller Stille und in engstem Rahmen stattfinden sollte. Doch Uhrzeit und Ort waren ungewöhnlich. Es war ein kühler Septembermorgen, und die Sonne war gerade eben erst über dem Siebengebirge aufgegangen. In den Netzen, die die Spinnen in den Eiben gewoben hatten, hingen feinste Tautröpfchen, wie auch im Moos an den alten Grabsteinen des abgelegenen Kirchhofs. Die feuchte, klumpige Erde war zu einem ordentlichen Haufen neben der Grube aufgeschaufelt worden, in die die Gehilfen des Bestatters den schlichten Sarg gesenkt hatten. Beide keuchten vor Anstrengung, denn die arme Verblichene war von kräftiger Gestalt gewesen.
    Regungslos verharrten die vier Herren und die beiden Damen, eine davon im Krankenstuhl sitzend, am Grab, still, wie es sich gehörte, doch die Augen trocken, die Gesichter ausdruckslos.
    »Wir haben uns zusammengefunden, um Abschied von Dorothea von Finckenstein zu nehmen«, begann der Pfarrer in salbungsvollem Ton, und das leichte Näseln seiner hohen Stimme durchschnitt die feuchte Morgenluft. »Mit ihr haben wir eine liebevolle Schwester, eine pflichtbewusste Nichte und eine gute Freundin verloren.«
    Max starrte auf das Loch in der Erde, das seine liebe Schwester nun aufgenommen hatte. Liebevoll? Als liebevoll hatte er sie nie empfunden, schon als kleiner Junge nicht. Ob an der Geschichte etwas Wahres war, dass sie als Dreijährige versucht hatte, ihn im Ententeich zu ersäufen, wagte er zu

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