Göttertrank
mir eigenartig vor, also sagte ich: »Man kann das Zeug aber ohne Probleme in den Apotheken kaufen, soweit ich weiß, genau wie Laudanum und Hanfextrakt auch.«
Jan nickte. »Viele Ärzte empfehlen es, aber ich halte das für sehr gefährlich. Man gewöhnt sich daran und kann schließlich ohne diese Droge nicht mehr leben. Übrigens sind auch aus unseren Labors in der letzten Zeit beträchtliche Mengen davon verschwunden. Ich hoffe nur, dass wir nicht in den eigenen Reihen jemanden haben, der sie missbraucht.«
Max schien immer mehr in sich hineinzukriechen, und mir schwante etwas.
»Paula hat sich von Julia immer die Hanfschokolade mitbringen lassen. Angeblich weil sie ihre Nerven beruhigen musste. Max, du bist oft mir ihr zusammen gewesen. Hat sie wirklich so schwache Nerven?«
Er fuhr sich über das bleiche Gesicht und verschränkte dann die Finger, bis die Knöchel knackten.
»Gott, was habe ich getan!«, stieß er hervor.
Jan richtete sich auf, und zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, stand wilder Zorn in seiner Miene geschrieben.
»Ja, Max, erzähl uns doch mal, was du getan hast!«, forderte er ihn mit kalter Stimme auf.
Als Max geendet hatte, war keine Frage mehr offen.
Paula war der Auslöser. Sie hatte seine romantische Schwärmerei schamlos ausgenutzt, um an die Mittel aus dem Labor zu kommen. Sie hatte Max zum Dieb werden lassen. Und zwar in immer größerem Maße, denn Max hatte, angeregt durch ihre Schilderung der wohltuenden Wirkung dieser Mittel, auch den Männern der Zuckerfabrik, in der er derzeit seine Studien betrieb, Morphium gegeben, um dadurch Hunger und Müdigkeit zu lindern.
Jan tobte, und Max’ Welt war zusammengebrochen. Melli und ich bemühten uns, die Situation zu retten, und erst spät in der Nacht waren die beiden Männer wieder so weit miteinander versöhnt, dass sie gemeinsam den Heimweg antreten konnten.
Ich konnte Max nicht böse sein. Hätte er an jenem Abend an dem Gartenfest nicht das für Paula bestimmte Fläschchen Hanfblütenöl dabeigehabt, hätte ich nicht überlebt.
Das war schließlich auch das Argument gewesen, das Jan wieder versöhnlich gestimmt hatte.
Der Zucker war nun mit der Schokoladenmasse vermischt, und ich erwärmte den weißen Rindertalg in einem Tiegel, um ihn später unterzurühren. Es befriedigte mich jedoch nicht. Das Fett härtete zwar recht gut aus, und die Mischung war in Tafeln oder schmale Riegel formbar, doch es minderte den Geschmack erheblich. Außerdem wurde Talg, wenn auch nicht so schnell wie Butter, nach kurzer Zeit ranzig.
Das zweite grundlegende Problem bei der Herstellung von essbarer Schokolade lag in der Festigkeit. Wir hatten schon die verschiedensten Methoden verworfen. Honig kam nicht in Frage, weil zu klebrig und zu teuer, Melasse war zwar billiger, aber auch wieder zu klebrig. Wir hatten versucht, die Konsistenz durch Mehl, fein geriebene Mandeln oder gar Beigaben von Kaolin zu verbessern, was geschmacklich nur bei den Mandeln tolerierbar war, alle anderen Beimischungen wirkten nur scheußlich. Schließlich hatte sich schnell härtendes Fett als günstigste Beimischung erwiesen, so wie ich es auch bei der Gesundheitsschokolade verwendete. Doch bei ihr war die geschmackliche Verfeinerung nebensächlich.
Um eine reine Essschokolade verkaufen zu können, musste dieses Problem dringend gelöst werden. Der Talg, auch wenn er noch so rein war, tötete das Aroma. Also mussten Gewürze beigemischt werden. Natürlich halfen Vanille, Kardamom, Zimt oder Piment, talgigen oder mehligen Geschmack zu übertönen, aber auch hier würde man auf Kosten achten müssen. Die exotischen Gewürze waren teuer.
Heute wollte ich einen Teil Mandelöl mit einarbeiten, um zu sehen, ob das das Ergebnis verbessern würde. Dazu musste ich aber herausfinden, welche Mengenverhältnisse die optimale Mischung ergaben.
Während ich abmaß und berechnete, wanderten meine Gedanken wieder zu Alexander, und die schmerzliche Sehnsucht nach seiner Zärtlichkeit ließ mich für eine Weile mit dem Bleistift auf dem Papier verharren. Ja, für ihn hatten sich die Umstände zum Guten gewendet, und sie würden noch besser werden, wenn er endlich Kenntnis von dem bekam, was wir alles in Bayenthal herausgefunden hatten. Julia war nicht unbeteiligt daran, sie hatte uns auf die richtige Spur geführt.
Zu Pfingsten war es, als wir beide uns in das Abenteuer gestürzt hatten, mit der neuen Eisenbahn von Bonn nach Köln zu reisen. Wir waren aufgeregt wie die kleinen
Weitere Kostenlose Bücher