Göttertrank
probieren, dann sehen wir weiter!«
Da dies die stereotype Antwort auf jeden Vorschlag war, nahm ich es als Einverständnis, stellte meine Berechnung auf, kaufte einen Sack Kakaobohnen und machte mich an die Arbeit. Gut, die erste Partie hatte ich zu heiß geröstet, und der Kakao schmeckte verbrannt. Die zweite war zu gering gebrannt und blieb bitter, aber dann hatte ich den Bogen heraus. Melisande, sehr erfinderisch, kam auf die Idee mit dem Worfelkorb, um die nach dem Rösten aufgeplatzten Kakaoschalen schnell und effizient zu entfernen. Sascha hatte auf meine Anweisungen einen erwärmbaren Metate-Stein organisiert und ein Gestell dafür gebaut, und nun walzte ich, wie schon in der Konditorei, die Bohnen zu einer klebrigen Masse. Wir kochten sie anschließend in Milch auf, gaben Zucker und Vanille hinzu, quirlten die Masse, bis sie schaumig war – und konnten gar nicht schnell genug servieren. Das exklusive Getränk erwies sich als großer Erfolg.
Melisande brachte die letzte Partie Kakaobohnen herein und machte sich daran, den Kaffee zu mahlen.
»Wird dein Schatz dich heute wieder abholen?«, fragte sie mit einem Augenzwinkern.
»Er hat es versprochen. Er hat mir auch versprochen, das Gefäß für das Eis und das Salpetersalz mitzubringen.«
Seit zwei Monaten hatte ich einen Verehrer, dessen Aufmerksamkeiten gegenüber ich nicht ganz unempfindlich war. Giorgio Gambazzi arbeitete als Koch im Schloss Glienicke, der Sommerresidenz Prinz Carls von Preußen. Wir waren uns bei dem Kolonialwarenhändler begegnet, als ich ihm den letzten Sack Kakaobohnen vor der Nase weggekauft hatte. Giorgio nahm es mit Humor, und ich lud ihn zum Trost in das Gartenlokal ein. Ich hatte nicht erwartet, dass er wirklich kommen würde, aber zwei Tage später fand ich ihn unter der alten Buche sitzen. Er lachte mir verschmitzt zu und forderte seine versprochene Bewirtung. Da es schon später Nachmittag war und nicht mehr viele Gäste zu betreuen waren, setzte ich mich zu ihm, nachdem ich ihm den Kakao serviert hatte.
Seither trafen wir uns regelmäßig, wenn es unsere Zeit ermöglichte. An schönen Frühlingsabenden kam Giorgio oft mit dem Boot von der gegenüberliegenden Seite des Sees herüber, und wir ruderten gemächlich am Havelufer entlang. Wir hatten uns viel zu sagen, unser beider Professionen ähnelten sich, wenn auch Giorgio erheblich anspruchsvollere Gerichte zu erstellen hatte als die, die wir in unserem Gartenlokal anbieten konnten. Aber dann und wann schwiegen wir auch, und unter den tiefhängenden Weiden an den stillen Ufern tauschten wir liebevolle Zärtlichkeiten aus. Er stellte keine zu großen Forderungen dabei, und dafür war ich meinem Freund dankbar. Ich mochte ihn, war sogar ein bisschen verliebt, aber ich hatte auch eine unterschwellige Angst davor, mich zu binden.
Auf jeden Fall aber liebte ich es, den Küchenklatsch aus dem Schloss zu hören, weniger, was die königlichen Hoheiten anbelangte, sondern was an kulinarischen Neuigkeiten und Moden bei Hofe gepflegt wurde. In der vergangenen Woche hatte Giorgio mir die hübsche Geschichte von Fürst Pückler-Muskau erzählt, dem Gartenarchitekten, der an der Gestaltung des Schlossparks mitgewirkt hatte. Er hatte dem Konditor Schultz aus Berlin die Erlaubnis erteilt, ein Speiseeis in den Wappenfarben der Pückler-Muskau unter seinem Namen anzubieten. Gegen eine Gewinnbeteiligung am Absatz natürlich, wie man flüsterte. Der Fürst war nämlich ständig knapp bei Kasse, da er nicht nur gerne auf Reisen ging, sondern auch den Ehrgeiz hatte, besonders weitläufige und kostspielige Gärten anzulegen. Kurz und gut, das dreifarbige Eis in Rot, Schwarz, Weiß war ein Erfolg, und Giorgio war es gelungen, auf welchen verwinkelten Wegen auch immer, das Rezept zu erhalten. Eis hatte ich noch nie hergestellt, aber mir leuchtete sogleich ein, dass es an heißen Sommertagen ein Höhepunkt unserer Gastronomie werden würde. Madame Galinowa hatte wie üblich Berechnung und Geschmacksprobe verlangt. Dann würde man sehen.
Berechnet hatte ich die Herstellung schon, heute würde ich leihweise die notwendigen Geräte erhalten.
»Um dunkles Eis zu bekommen, färbt man es mit Schokolade ein, das ist mir ja klar, Giorgio. Aber das weiße einfach nur mit Sahne herzustellen, scheint mir wenig einfallsreich.«
»Schultz nimmt Maraschino-Liqueur dazu.«
»Das wird zu teuer.«
»Nimm Vanille. Oder fein geriebene Mandeln.«
»Ja, das könnte gehen.«
»Und rote Früchte. Ich denke,
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