Göttertrank
Erdbeeren passen jetzt sehr gut.«
»Ich werde es erst einmal bei zwei Sorten belassen, damit der Herr Fürst nicht anschließend noch bei mir abkassieren möchte.«
Giorgio lachte und zog mich zu sich.
»Ich kassiere ab. In dieser Form!«
Er gab mir einen langen, gründlichen Kuss, den ich nicht als unbotmäßige überzogene Bezahlung betrachtete.
Später, als die Dämmerung hereinbrach, ruderten wir einträchtig zurück und legten an dem Steg des Lokals an. Giorgio half mir beim Aussteigen und reichte mir dann das verschraubbare Metallgefäß und die Tüte mit dem Salpetersalz.
»Du musst darauf achten, die Masse immer gut zu rühren, sonst wird sie am Rand des Gefäßes fest und innen bleibt sie flüssig.«
»Eine aufwendige Sache.« Ich überlegte, ob ich Babuschka erklären konnte, wie das zu machen war. Die Alte war willig, aber ein bisschen schusselig.
»Ist es. Und sei auch mit dem Salz vorsichtig. Stell es nicht in die Nähe des Herdes, es brennt leicht.« Er lachte leise auf: »Es entwickelt nicht nur Kälte im Wasser, sondern es ist auch der wesentliche Bestandteil des Schießpulvers.«
»Ja, ich werde aufpassen. Danke, Giorgio.«
»Gerne geschehen. Sehen wir uns am Montag?«
»Ich denke schon.«
Nach einem letzten Kuss sprang er zurück in das Boot, und ich winkte ihm noch einmal zu, bevor ich zum Haus ging.
Madame Galinowa erwartete mich in der Küche, wo sie über ihren Abrechnungen saß. Der alte Schäferhund wärmte ihr die Füße und schnarchte wie ein pommerscher Holzfäller. In der Ecke döste Babuschka, die selbsternannte Hüterin des Herdfeuers, mit Murzik, dem fetten Kater, auf dem Schoß vor sich hin.
Die Wirtin sah auf und lächelte mich an.
»Süße Küsse, süße Worte?«
»Und das Rezept für süßes Eis.«
»Setz dich, milaja . Habe ich hier einen Brief bekommen von deinem anderen Freund.«
»Oh, hat Herr Masters wieder geschrieben?«
»Hat er, der dumme Junge. Willst du lesen, milaja ?«
»Gerne, wenn ich darf.«
Alexander Masters war aus meinem Leben verschwunden, seit er nach Pfingsten vor zwei Jahren, ein Dreivierteljahr, nachdem er mich zu Madame Galinowa gebracht hatte, mit bedrücktem Gesicht im Garten gesessen hatte.
»Sie haben Dummheit begangen, was?«, hatte Nadina gefragt, und er hatte von Paula Reinecke berichtet. »Ist die Falle zugeschnappt«, war ihr lakonischer Kommentar zu dem Hinweis auf die ungewollte Schwangerschaft der Fabrikantentochter aus dem Bergischen gewesen.
»Tja. Sieht so aus. Es ist ja nicht unbedingt ein Schaden für mich. Der Schwiegervater hat mir die technische Leitung seiner Fabrik angeboten. Und die Mitgift ist auch gediegen.«
»Dann machen Sie das Beste daraus. Wir werden Sie vermissen.«
Er hatte geseufzt und noch einen langen Blick über den stillen See geworfen. »Ich werde das hier auch vermissen.« Dann hatte er sich verabschiedet, und seither waren sporadisch kurze Briefe mit der Frage nach unserem Befinden eingetroffen, die Nadina und ich ausführlich beantworteten.
In dem neuesten Brief schrieb er davon, seine kleine Tochter Julia sei krank gewesen, und er habe sich einer Turnervereinigung angeschlossen, was das Missfallen seines Schwiegervaters erregte. Außerdem hatte er eine neue Dampfmaschine an einer Kohlenzeche in Betrieb genommen, auf die er sehr stolz war. Über seine Frau Paula verlor er kein Wort.
»Er ist nicht glücklich dort«, stellte ich fest.
»Er sitzt in goldenem Käfig. Manche Frauen sind sehr hinterlistig.« Sie grinste vielsagend. »Ein russisches Sprichwort sagt: ›Wenn die Weiber auch von Glas wären, sie bleiben doch undurchsichtig. ‹««<
»Sie glauben, sie hat ihn belogen?«
»Sie wird ihn dazu gebracht haben, sie zu verführen. Mach so was nie, Amara. Gibt nur schwarzes Blut.«
»Nein. Ich könnte das wahrscheinlich gar nicht.«
»Weiß nicht. Vielleicht willst du einen Mann haben. Irgendwann. Dann fällt Frauen so Sachen ein.«
»Noch nicht. Jetzt will ich erst einmal Eis machen.«
»Ah, die Maschine dafür!«
»Richtig. Wird Babuschka mir helfen? Man muss es immer wieder umrühren.«
»Ich werde es ihr sagen. Und nun ist spät. Wir wollen schlafen.«
Rex erhob sich mit einem ungehaltenen Knurren, als sie aufstand und die Bücher auf das Bord stellte. Dann wandte sie sich an die dösende Alte und redete in ihrer Sprache auf sie ein. Ich nickte ihr zu und verließ den Raum. Den Eisbehälter und die Tüte mit dem Salpetersalz hatte ich neben dem Spülstein stehen
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