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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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sie heraus: »Dann ist der liebe Gott nicht wahr?«
    »Jetzt antworte ich genauso wie du, Julia: Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wie viele Sterne am Himmel stehen, wo ich war, bevor ich geboren wurde, und was morgen sein wird. Ich weiß nur eins – die Wahrheit ist ein wunderbares Ding, glänzend, licht und manchmal so scharf, dass man sich daran verletzen kann, wie an diesem Kristall. Da ich also nicht weiß, ob es einen Gott gibt, kann ich auch nicht sagen, ob er einzelne Menschen auserwählt hat, damit sie in den Himmel kommen.«
    »Warum weiß das Fräulein das denn?« »Weil sie eine blöde Ziege ist«, rutschte es Alexander heraus, und Julia lachte fröhlich auf. Er korrigierte sich geschwind und erklärte: »Das Fräulein hat sich nie die Mühe gemacht, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen, dass sie es nicht weiß, Julia. Deswegen glaubt sie, was in einem Buch steht. Aber in dem Buch steht nicht die ganze Wahrheit. Darum musst du das, was sie sagt, noch lange nicht glauben. Halte du dich daran, was du sehen, anfassen, messen und zählen kannst. Alles andere wird sich finden.«
    »Wenn ich nicht an den lieben Gott glaube, dann komme ich auch nicht in die Hölle?«
    »So ist es, mein kluges Kind. Und darum brauchst du auch keine Angst mehr zu haben.«
    »Auch wenn ich eine Sünde mache?«
    »Machst du denn Sünden?«
    »Manchmal. Da bin ich nicht gehorsam. Und ich hab doch die Sünde in mir. Wegen dem Blut.«
    Die bittere Galle kam Alexander bei diesen unschuldigen Worten hoch, und er schluckte. »Liebling, das dumme Zeug mit dem schlechten Blut braucht dir keine Angst zu machen. Blut ist weder gut noch schlecht. Es ist rot und warm und kreist in deinem Körper herum. Wenn du dich verletzt, tropft es aus der Wunde und bildet den Schorf, damit sie wieder heilt. Das kennst du doch.«
    »Mhmh.«
    »Ich finde, das ist eine sehr gute Eigenschaft deines Blutes.«
    »Ja, Papa.«
    »Und was die Sünde des Ungehorsams anbelangt – also, wenn du was Schlimmes machst, werde ich mit dir schimpfen, und wenn es was sehr Schlimmes ist, dir den Hintern versohlen. Ist das verstanden?« Alexander bemühte sich um einen grimmigen Gesichtsausdruck, was seine Tochter aber spielend durchschaute und ihn angrinste.
    »Julia, nur weil es keine zwickenden Teufel gibt, wirst du dich doch anständig benehmen und gehorchen.«
    Julia grübelte sichtlich, und dabei spielte sie mit dem glitzernden Kristall in ihrer Hand.
    »Ja, Papa«, sagte sie schließlich und kam dann zu dem erstaunlichen Schluss: »Wenn ich... mhm... was Schlimmes gemacht habe, muss ich das dann immer sagen?«
    »Du musst immer die Wahrheit sagen, nicht nur, wenn du was Schlimmes getan hast.«
    »Darf ich dann dem Fräulein sagen, dass sie eine blöde Ziege ist?«
    Alexander durchfuhr die schlagartige Erkenntnis, dass sein Erziehungsversuch vollkommen gescheitert war. Andererseits …
    »Ich wünschte, du würdest mir dieses Vergnügen überlassen, Julia.«
    »Gut, ist recht, Papa. Aber ich muss nicht an ihre blöden Teufel glauben und all das.«
    »Nein, das brauchst du nicht.«
    »Und das darf ich ihr auch sagen?«
    »Das«, betonte Alexander mit Genugtuung, »darfst du auf jeden Fall.« Und Schwester Gnadenlos zeigen, wie die Hölle auf Erden aussah. »Und wenn ihr das nicht gefällt, schickst du sie zu mir.«
    »Ja, Papa.«
    »Und jetzt gehen wir beide noch mal in die Küche und schauen, ob wir ein Betthupfer für dich finden.«
     
    Die Kinderfrau fand sich früh am Morgen mit dem Vater ihres Schützlings konfrontiert und wirkte ungehalten ob der Störung ihrer Routine.
    »Ich habe gestern Abend meine Tochter weinend in ihrem Bett gefunden«, herrschte Alexander sie ohne höfliches Vorgeplänkel an.
    »Sie ist ein launisches Kind, dem darf man nicht nachgeben.«
    »Nein? Nun, Sie konnten ja auch darüber hinweghören, so tief, wie Ihr Schlaf war.«
    »Sie waren in meinem Schlafzimmer?« Helle Empörung schwang in den Worten mit.
    »Natürlich. Und wie ich feststellen konnte, hatte meine Tochter jeden Grund zu weinen.«
    »Sie haben das Schlafzimmer einer unbescholtenen, keuschen Frau betreten? Herr Masters, wie konnten Sie es wagen?«
    »Ich bin Ihrer Unschuld nicht zu nahe getreten. Ich habe meine Tochter getröstet und versucht, ihr die namenlosen Ängste zu nehmen, die Sie ihr verursacht haben, Schwester Gnadenlos!«, fauchte Alexander sie an.
    »Ich habe ihr keine Angst gemacht. Und reden Sie mich gefälligst in gebührlichem Ton an. Ich bin länger in diesem

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