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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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vornehmen zu können. Für eine Scheidung, allemal ein schmutziges Geschäft, das sich immer zu Lasten der Ehefrau auswirkte, reichten die Gründe nicht. Auch wollte Alexander seiner Gattin diese Schmach ersparen. Aber sein Auszug aus dem düsteren Haus der Reineckens stand für ihn fest. Galt es noch, die finanziellen Bedingungen festzulegen, die nicht ohne Delikatesse waren, da er de facto Angestellter seines Schwiegervaters war. Von dieser Seite aus mussten sie mit Repressalien rechnen.
    »Er kann mir kündigen. Ich würde mich dagegen nicht wehren, Erik. Mit meiner Ausbildung und Erfahrung finde ich jederzeit eine neue Anstellung. Und ich könnte von hier wegziehen. Das würde das Problem schließlich auch lösen.«
    »Natürlich. Deine Frau müsste dir folgen, und du wärst endlich Herr in deinem eigenen Haus. Warten wir es ab. Bis dahin suchst du dir am besten eine Wohnung.«
    »Und eine halbwegs intelligente Erzieherin für Julia.«
    »Sehr vernünftig. Und jetzt habe ich noch eine überraschende Neuigkeit für dich, Alexander. Erinnerst du dich an den hosenlosen Karl August Kantholz?«
    Alexander verzog sein Gesicht zu einem spöttischen Grinsen. »O ja. Er war kein schöner Anblick.«
    »Er wird dir möglicherweise bald wieder geboten. Er ist vor zwei Monaten der Kreisverwaltung als Regierungsassessor zugeteilt worden.«
    »Mit der Verwaltung habe ich nicht viel zu tun. Ich bin nur ein simpler Techniker, Erik.«
    »Mit unbequemen Ideen. Sei vorsichtig, mein Freund.«
    »Im Rahmen meiner Möglichkeiten.«
     
    Und die waren naturgemäß beschränkt. Mit Reinecke gab es die erwartete Konfrontation, bei der sich Alexander auf ziemlich brutale Art durchsetzte. Mit Paula eine weitere, der ein hysterischer Anfall ein Ende setzte. Und zwei Tage später machte sich Alexander zufrieden mit dem Ergebnis auf die Suche nach einer passenden Wohnung.
    Er hatte seine Rechnung nicht mit Schwester Gnadenlos gemacht. Die glühende Anhängerin des pietistischen Glaubens hatte nämlich eine Gleichgesinnte gefunden, die sie in der Kirche kennengelernt hatte. Witwe Kantholz, die die Weißnäherei in Berlin aufgegeben hatte, um ihren Sohn nach Elberfeld zu begleiten, damit sie seinen Haushalt führen und über seine Tugend wachen konnte, wurde in kürzester Zeit ihre Vertraute. Und so drang die Kunde von Alexander Masters’ unrühmlichem Verhalten sehr schnell an Karl Augusts Ohren. Geübt in Nachforschungen aller Art, fand er bald heraus, dass sein ehemaliger Peiniger einem der verbotenen Turnerklüngel angehörte und sich auch ansonsten staatsfeindlicher Äußerungen nicht enthielt. Er erwirkte aufgrund verlässlicher Zeugenaussagen der Kinderfrau, des Wäschermädchens, das die Turnerkleidung im Hause Reineckens wusch, und des Buchhalters, der ihn beschuldigte, mit aufrührerischen Parolen die Arbeiter aufzustacheln, einen Haftbefehl wegen demagogischen Verhaltens.
    Eine Woche nach Alexanders Besuch bei Erik Benson stand er mit zwei Polizisten vor Reineckens Tür und verlangte barsch, Herrn Masters zu sehen. Karl August ließ es sich nicht nehmen, Alexander persönlich von seiner Verhaftung zu informieren. Reinecke, der diesem Auftritt beiwohnte, brüllte: »Ein schamloser Verbrecher. Das war ja zu erwarten! Bei der dubiosen Vergangenheit!«
    Paula, die dazukam, sank geschmackvoll in Ohnmacht, und nur Julia, oben am Treppengeländer, beschuldigte die Richtige. Sie trat dem Fräulein, das sie in ihr Zimmer zerren wollte, mit aller Kraft ans Schienbein, spuckte sie an und schrie: »Das haben Sie gemacht!«
    Womit sie die Wahrheit sprach.
     
    Es gab keine Möglichkeit, sich zu wehren, deswegen folgte Alexander den Polizisten ins Stadtgefängnis. Doch er weigerte sich standhaft, auch nur einen einzigen Hinweis darauf zu geben, wer außer ihm noch den verbotenen Leibesübungen nachging und in diesem politischen Klub staatsfeindliche Gedanken hegte. Aber in den folgenden Wochen, in denen über sein Schicksal entschieden wurde, verfluchte er sich selbst. Er konnte nichts tun, um seine persönlichen Angelegenheiten weiter zu regeln, und am meisten schmerzte es ihn, Julia im Stich lassen zu müssen. Beinahe von Sinnen vor Verzweiflung rief er, der lediglich an die reale Welt glaubte, an das, was man messen und wiegen, zählen und berechnen konnte, ein mächtigeres Wesen um Hilfe an – einen Gott der Rache!

Dae daylite come an we wanna go home
    Siehst du die Brigg dort auf den Wellen?
Sie steuert falsch, sie treibt herein
Und muß

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