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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Palmen und das verstreute Treibholz erinnerten noch an den Sturm. Er fragte sich, welches Schicksal die Besatzung erlitten hatte. Gab es außer ihm weitere Überlebende? Wenn, dann hatten sie das Land vermutlich an anderer Stelle erreicht, hier standen nur die drei kümmerlichen Hütten, die die Strandräuber bewohnten. Er trottete zum Wassersaum hin und entledigte sich der Fetzen, die einst ein weißer Leinenanzug gewesen waren, um seine Kratzer und Schrammen im Salzwasser zu reinigen. Es biss scheußlich, aber die Vorstellung, sich in dem schwülwarmen Klima schwärende Wunden zuzuziehen, ließ ihn die Prozedur durchhalten.
    Auch die beiden nächsten Tage beschäftigte er sich mit seinen Verletzungen, so gut es eben ging, dann bemerkte er ein Segel, das auf die Küste zuhielt. Ein Beiboot wurde zu Wasser gelassen, und zwei Männer ruderten durch das Riff auf den Strand zu. Sie wurden von den Bewohnern der Hütten mit lauten Rufen willkommen geheißen, und dann fing ein eifriges Palaver an, bei dessen Verlauf die Schwarzen mehrmals auf ihn deuteten. Die Neuankömmlinge waren Weiße, doch Jan Martin war ernüchtert genug, daraus keine wie auch immer geartete Hoffnung abzuleiten. Es ging um Geld, das konnte er den Gesten entnehmen. Vermutlich feilschten sie um ihn.
    Seine Vermutung bewahrheitete sich, als der schwarzhaarige Mann mit dem zernarbten Gesicht auf ihn zukam.
    »Du sprichst Spanisch?«
    »Ja, Señor.«
    »Wie heißt du?«
    »Doktor Jan Martin Jantzen.«
    »Doktor«, schnaubte der Spanier verächtlich. »Janmaat. Passt besser. Kannst du schreiben?«
    Jetzt schnaubte Jan Martin verächtlich. »Es geht so, Señor.«
    »Dann komm mit.«
    Er folgte dem Spanier in die größere Hütte der drei, die erstaunlich vollständig eingerichtet war. Mit Schiffsmöbeln. Auf den Tisch knallte der Mann ein Stück Papier, stellte ein Tintenfass daneben und legte eine Feder dazu.
    »Unterschreib, Janmaat.«
    »Was ist das?«
    »Ein Arbeitsvertrag. Setz deine Namen drunter oder dein Zeichen.«
    »Und wenn nicht?«
    Der Spanier war hinter ihn getreten, und die kühle Klinge an seinem rechten Ohr verlieh der Aufforderung Nachdruck: »Besser, du tust es doch.«
    Es war müßig zu diskutieren. Was immer kommen mochte, es führte ihn fort von diesem Strand der Hoffnungslosigkeit. Also setzte Jan Martin in schön geschwungenen Lettern seinen vollständigen Namen mit allen akademischen Titeln unter das Dokument, in der Hoffnung, dass jemand, wenn er es sah, auf ihn aufmerksam würde. Falls es jemals jemand sah, der des Lesens kundig war.
    »Gut. Du kommst mit mir auf die Plantage. Von deinem ersten Lohn kaufst du alles, was du brauchst. Hier.«
    »Und was brauche ich?«
    »Kleidung, wie ich sehe. Becher, Topf, Messer, Löffel, Decke. Maria macht das für dich.«
    »Wie Sie wünschen, Señor.« Jan Martins respektvolle Antwort enthielt einen Hauch von Spott, den der Spanier mit einem missbilligenden Stirnrunzeln quittierte.
    »Du wirst gehorchen lernen.«
    Wohlweislich schwieg Jan Martin künftig, und bald darauf wuchtete er ein Deckenbündel über seine Schulter und trottete hinkend hinter dem Spanier mit dem Namen Rodriguez her. Ihm wurde ein Platz in dem Ruderboot angewiesen und bedeutet, er solle sich in die Riemen legen. Da er die Rudertechnik nicht beherrschte, erntete er einen derben Fluch, wurde aber der Pflicht entbunden. Rodriguez und sein Begleiter brachten das Boot zu der ankernden Slup. Sie setzten Segel, und die Küste verschwand bald hinter ihnen.
    »Verzeihen Sie, wohin bringen Sie mich, Señor?«
    »Nach Trinidad. Das hübsche Inselchen, auf dem du gestrandet bist, ist Tobago. Und ab jetzt hältst du die Klappe, Janmaat.«
    Da ihn die Schlepperei des Bündels recht ermüdet hatte, fiel ihm das Befolgen der Anweisung nicht schwer. Er lehnte sich gegen die Reling und schlief ein.
    Das war auch die einzige Ruhe, die ihm an diesem Tag vergönnt sein sollte. Denn als das Schiff an einem Steg am Ufer eines Flüsschens anlegte, ging die Plackerei weiter. Rodriguez, zu Pferd, befahl ihm, sein Bündel aufzunehmen und ihm zu folgen. Schwitzend und stöhnend brachte er es fertig, eine halbe Stunde hinter ihm herzuhumpeln, dann knickten die Beine unter ihm weg. Auch wüste Beschimpfungen gaben ihm keine neue Kraft. Der Plantagenaufseher, das war der Spanier, wie er durch vereinzelte Satzfetzen herausgefunden hatte, band schließlich sein Gepäck hinter sich auf den Sattel, und so erleichtert schaffte Jan Martin es, eine weitere

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