Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
Professor. Bei den dortigen Gesellschaften spiele ich nämlich gerne das Mauerblümchen. Aber nehmen Sie doch Platz.«
    Ich bemühte mich, mich so unauffällig wie möglich in Luft aufzulösen.
    An Weihnachten wurde die Verlobung bekannt gegeben, und nun, im Juli, hatten die beiden geheiratet.
     
    Nadina klopfte an meine Zimmertür, trat ein, und ihr Blick fiel auf den Zeitungsartikel.
    » Milaja , es tut dir weh.«
    »Ja, Nadina, es tut mir noch immer weh. Aber sie passen gut zusammen. So freundlich Lady Henrietta auch ist, sie hätte es nie gutgeheißen, wenn ihr Sohn die Tochter eines Küchenmädchens hätte heiraten wollen.«
    »Wirst du einen anderen finden. Man findet immer. Du bist noch jung.«
    »Eigentlich nicht. Ich bin schon dreiundzwanzig.«
    »Und, bin ich einundvierzig und finde noch immer einen Mann?«
    »Sie liegen dir zu Füßen. Aber findest du auch Liebe?«
    »Die Liebe ist ein Glas, fasst man zu fest an, bricht sie.«
    »Und an den Scherben schneidet man sich blutig, meinst du?«
    »Meine ich. Aber du bist anders.«
    Nadina setzte sich in den Sessel und lehnte sich zurück. Wir drei Frauen hatten jeweils ein eigenes Zimmer über dem Café, und nach und nach hatte eine jede es nach ihrem Geschmack eingerichtet. Ich hatte helle Farben gewählt, Schleiflackmöbel und grün gestreifte Vorhänge an den Fenstern, Melisande liebte verspielte Blumenmuster, aber schlichte Formen, und Nadinas Raum war – wider Erwarten – streng und nüchtern wie eine Klosterzelle. Sie lebte ihren opulenten Geschmack in Kleidern aus.
    »Trotzdem, Amara, du hast richtig getan mit Julius. Und sehr richtig getan mit Baroness Zuckerdose. Damit hast du seine Freundschaft für immer. Manchmal ist das mehr wert als Liebe.«
    »Schon gut, die Wunde wird heilen. Übrigens sollen Briesnitzens wieder in Berlin sein.«
    »Habe ich gehört. Haben bei Kranzler gesessen. Bah, sie werden wiederkommen, wenn bei uns dicke Fische schwimmen.«
    »Das vermute ich auch.«
    Der Skandal hatte den Baron und seine Familie weitaus länger von Berlin ferngehalten als Julius. Es kursierten nicht nur gewisse Vermutungen über den Bruch der Verlobung unter der Hand – Dienstboten bekamen eben alles mit -, sondern zusätzlich sorgte auch Maximilian, ihr jüngerer Bruder, zum selben Zeitpunkt für Aufregung. Ich hatte es am Tag nach dem eigentlichen Verlobungstermin erfahren, als eine Gruppe Primaner, seine Freunde, ohne ihn im Café saßen und laut über sein Verhalten diskutierten.
    »Wenn er doch das Gut erbt, warum soll er nicht Agrarwissenschaft studieren? Dann kann er es später selbst führen«, meinte einer.
    »Weil, du Pfeffersack, man in unseren Kreisen dafür einen Verwalter hat.« Ein hochnäsiger, pickeliger Jüngling sah den Kaufmannssohn verächtlich an.
    »Er hätte an unserer Universität Karriere machen können. Ihr wisst, er ist ein glänzender Kopf. Ich verstehe das auch nicht.«
    »Nicht jeder ist so ein Streber wie du. Er ist nach Paris. Mann! Nach Paris!«
    »Und wird dort in einem Hinterhof verlottern. Sein Alter hat ihn doch rausgeschmissen.«
    »Enterben will er ihn. Aber er hat ja einen reichen Onkel.«
    »Trotzdem, ich sage euch, er wird verbauern. Keine Kultur, keine humanistische Bildung …«
    »Quatschkopf! Er hat schon ganz recht. Was sollen wir mit dem elenden Griechisch und Latein. In Naturwissenschaften müssen wir ausgebildet werden! In Technik! Darin liegt die Zukunft!«
    »Fängt der schon wieder damit an.«
    Ich hatte mich an den Tisch begeben und die jungen Herren sanft lächelnd zur Besonnenheit und Ruhe gemahnt. Sie gehorchten mir zwar augenblicklich, doch als sie später draußen auf der Straße standen, ging die hitzige Debatte, wie ich beobachten konnte, weiter.
    Aber auch darüber war Gras gewachsen. Baron, Baronin und Dorothea waren wieder in ihr Stadthaus eingezogen, und der junge Eugen, inzwischen vierzehn und Schüler an einer renommierten Knabenschule, begleitete sie hin und wieder zu Kranzlers. Wie man hörte, versuchte die Baroness auch wieder auf den Gesellschaften ihr Glück.
    »Du hast recht, Nadina, für Baroness Zuckerschnute ist es schlimmer als für mich«, resümierte ich ihre Gedanken. »Ihr wird Julius’ Hochzeit einen bösen Stich versetzen.«
    »Hat sie selber Schuld, oder?«
    »Hat sie. Und nun vergessen wir das Thema. Hattest du einen Grund, warum du zu mir gekommen bist?«
    »Habe ich nicht immer Grund, milaja ?«
    Ich lachte amüsiert. »Ich habe es fertig gemacht. Hier, fünf

Weitere Kostenlose Bücher