Göttertrank
abgespielt hatte. Natürlich kam die Angelegenheit nie zur Sprache, über dererlei unappetitliche Dinge schwieg man im Hause Briesnitz. Aber mit der Verachtung für ihre Tochter hielt die Baronin nicht hinter dem Berg.
Eine leichte Entspannung trat um die Weihnachtszeit ein, als Lothar de Haye seinen Besuch ankündigte. Er brachte ausreichend Gesprächsstoff mit, um den Gesellschaften die Peinlichkeit zu nehmen, die immer dann eintrat, wenn die spannungsgeladene Atmosphäre zwischen Dorothea und ihrer Mutter spürbar wurde.
An einem frostigen, aber strahlenden Februartag lud de Haye seine Nichte zu einer Schlittenfahrt ein. Ein Kutscher lenkte das Gespann, und Dorothea, in Pelze und Decken gemummelt, genoss die Fahrt über die verschneiten Felder, obwohl ihr Onkel unerwartet schweigsam neben ihr saß. Hellblau spannte sich der Himmel über dem fleckenlosen Weiß, die Kristalle stäubten unter den Hufen der Pferde auf und bildeten glitzernde Wölkchen. Auf einem zugefrorenen Weiher vergnügten sich einige Dorfkinder auf Schlittschuhen.
Die Idylle endete an einem Wäldchen. Hier, vor den dick verschneiten Tannen, hieß de Haye den Kutscher die Pferde zügeln und wandte sich an Dotty.
»Wir werden jetzt ein dringend notwendiges Gespräch miteinander führen. Dazu wollen wir ein paar Schritte auf und ab gehen.«
»Aber es ist doch alles voller Schnee«, wandte sie unwillig ein.
»Du hast warme Stiefel an, und hier auf dem Weg ist der Schnee festgefahren. Zier dich nicht.«
Leicht schmollend befreite Dotty sich von den Decken und ließ sich aus dem Schlitten helfen. Als sie außer Hörweite des Kutschers waren, begann de Haye: »Du hast dich in eine verteufelte Situation gebracht, Mädchen.«
»Wie meinen Sie das, Onkel Lothar?«
»Das weißt du ganz genau. Du hast eine hervorragende Verbindung zunichtegemacht.«
»Nicht ich, Onkel Lothar. Es war Julius’ Schuld.«
»Mach mir nichts vor. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass er dich unter kompromittierenden Umständen erwischt hat.«
»Das ist nur böswilliges Geschwätz. Das hat diese Amara verbreitet.«
»Amara? Eine Konkurrentin?«
»Ein Serviermädchen.«
»Was gab ihr ein zu verbreiten, du hättest in eurer Küche am Vorabend deiner Verlobung Hallodri mit einem Lieferanten getrieben?«
Dorothea schluckte, dann giftete sie: »Die wollte Julius für sich angeln. Ein feiner Aufstieg für diese anmaßende Schlampe.«
»Das glaube ich nicht ganz. Wie sagt man – wo Rauch, da auch Feuer. Und, meine Liebe, es war ja wohl auch nicht das erste Mal. Du bist schon lange kein unschuldiges Blümchen mehr.«
Mit hochroten Wangen fauchte seine Nichte: »Wer sagt so was?«
»Ich habe in Magdeburg einige Mitschülerinnen von dir getroffen. Du warst nicht sonderlich beliebt. Und zwischen den Zeilen hört man eine Menge heraus. Ein paar kleine Erkundigungen hier und da rundeten das Bild ab.«
»Gehässige Ziegen, allesamt. Die waren immer nur neidisch!«
»Auf was, Dotty? Auf deine edle Herkunft, die du immer so hochnäsig vor dir herträgst?«
»Diese Landpomeranzen wissen doch nichts, unkultivierte Bauerntrampel und Krämertöchter!«
»Aber der Küchenjunge war kultivierter, was? Ich will dir mal was sagen, Dorothea. Du hast bisher ein verdammtes Glück gehabt, dass du nicht schwanger geworden bist. Damit hättest du nämlich endgültig jede Aussicht auf eine einigermaßen standesgemäße Ehe vertan.«
Dorothea schnappte nach Luft. Derartig direkte Worte raubten ihr den Atem. Hilflos stammelte sie dann: »Aber … ich dachte... Wird man davon …?«
»Zu diesem Zweck hat uns die Natur, oder wenn es dir lieber ist, unser Schöpfer, den Zeugungsakt geschenkt. In erster Linie. Dieses wesentliche Detail hat dir deine Mutter wohl verschwiegen, was?«
Inzwischen war Dorothea nicht mehr rot, sondern weiß wie der Schnee geworden.
»Sie sind degoutant, Onkel Lothar!«, keuchte sie.
»Möglich. Aber was gesagt werden muss, muss gesagt werden. Vielleicht bringt es dich ja zur Einsicht. Ich persönlich halte nicht viel von dem Tamtam, das um die weibliche Unschuld gemacht wird, aber die Gesellschaft sieht das nun mal anders. Und es zeugt, ehrlich gesagt, von schlechtem Stil, sich mit Bediensteten auf diese intime Art einzulassen.«
Dorothea hatte sich bemerkenswert schnell wieder gefasst und fragte spitz: »Ach ja? Das gilt aber wohl nur für Frauen, was, Onkel Lothar?«
»Das gilt auch für Männer, nur die haben eben das Glück, dass sie keine Kinder
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