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Göttin der Rosen

Göttin der Rosen

Titel: Göttin der Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.C. Cast
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lassen und eine Rosenknospe in ihren Wein geben, weil der Geschmack nur so vollkommen war? Könnte eine Bestie in ihre Träume und Phantasien eindringen? Und warum sollte eine Bestie mit solcher Zärtlichkeit ihr Gesicht berühren?
    Nein, er war nicht nur eine Bestie, keinesfalls.
    Erst jetzt drang die Tragweite seiner Worte zu ihr durch. Er war kein Traum. Er war keine Halluzination. Er war genauso echt wie sie.
    Du bist hier wegen der Rosen. Genau dasselbe hatte auch Hekate zu ihr gesagt. Aber was hatte das zu bedeuten?
    »Morgen«, sagte sie laut, »morgen werde ich es herausfinden.«
    Sie trank das letzte bisschen Wein aus und dann, unter dem heftigen Protest ihrer steifen Muskeln, stand sie auf und schleppte sich in ihr Schlafzimmer. Während sie damit beschäftigt gewesen war, magische Kreise zu beschwören und sich mit einer lebendigen Statue zu unterhalten, hatte jemand alle Kerzen bis auf eine gelöscht. Auch das Feuer war heruntergebrannt, aber trotzdem kam ihr das Zimmer nach der kalten Nachtluft angenehm warm vor. Die dicke Decke war zurückgeschlagen, und am Fuß des Betts lag ein Nachthemd, das genauso aussah wie das Nachthemd, in dem sie aufgewacht war.
    Um sicherzugehen, dass niemand sie sah, schloss Mikki die Balkontüren und zog die dicken Samtvorhänge zu, bevor sie eilig ihr Zeremonialgewand abstreifte und in das weiche Nachtgewand schlüpfte. Als sie sich in der Mitte des gigantischen Himmelbetts zusammenrollte, dachte sie daran, wie gern sie ein heißes Bad genommen hätte. Mann, so verspannt hatte sie sich noch nie gefühlt. Sie seufzte. Sie wusste schon jetzt, dass ihr morgen alles weh tun würde. Ihre Augenlider fühlten sich schwer an.
    Ihr letzter Gedanke, bevor sie in tiefen Schlaf sank, war, ob sie in dieser Nacht wohl wieder Besuch bekommen würde …

    Der Wächter lief unruhig im Schlafraum seiner Höhle auf und ab. Er sollte zufrieden sein. Er sollte seine Erlösung feiern. Endlich, nach all den langen Jahren der Stille, lebte er wieder. Und sie war hier. Was spielte es da für eine Rolle, dass sie unerfahren war oder dass sie aus der gewöhnlichen Welt kam, in der er jahrhundertelang gefangen gewesen war? Sie hatte Hekates Segen. Mikado war die neue Empousa. Mit ihrer Hilfe würde das Reich der Rose wieder aufblühen.
    Er erinnerte sich an die Angst in ihren Augen, als er aus dem Schatten getreten war, aber er hatte mitangesehen, wie diese Angst nach und nach von einer gewissen Faszination gemildert worden war, auch wenn seine Macht sie weiterhin einschüchterte. Er wusste genau, was sie fühlte. Er war ebenso fasziniert von ihr, und das hatte ihn erweckt. Er hatte es schon gespürt, als sie das erste Mal in sein in Stein gefangenes Bewusstsein eingedrungen war. Damals hatte er es sich nicht eingestehen können, nicht einmal sich selbst, aber jetzt, wo er sie gesehen, mit ihr geredet hatte … ihren lebendigen Duft gerochen und ihre warme Haut berührt hatte …, jetzt konnte er es nicht länger leugnen. Seine Begierde war wie Luft – sie erfüllte ihn, gab ihm Kraft, und er fühlte sich nur dann wirklich lebendig, wenn er sie einatmete.
    Warum?
    Er stieß ein tiefes Grollen aus. Eine Prüfung. Das war die einzig plausible Erklärung. Hekate hatte ihm diese Bürde auferlegt, und bei den unsterblichen Titanen, er würde sie tragen!
    Der Frühling kam rasch im Reich der Rose. Bestimmt würde die Göttin seine Qual dann endlich beenden, so dass er sich wieder ganz der Einsamkeit hingeben konnte, die für ihn zu einem vertrauten Feind geworden war. Bis dahin würde er sich mit seinen Aufgaben beschäftigen, zu denen es, wie er sich innerlich ermahnte, nicht gehörte, der Empousa beim Essen zuzusehen. Das alles war eine Lüge, die sein verräterisches Verlangen kurzfristig als Wahrheit maskiert hatte. Er hätte nicht bleiben und zuschauen und auch ganz sicher nicht mit ihr sprechen müssen. Das Ritual hatte sie hungrig und durstig gemacht. Ihr Körper hätte ihr gezeigt, was er brauchte, um sich zu erden, und selbst die dümmlichen Elementare wären irgendwann dahintergekommen, dass sie ihrer unerfahrenen Hohepriesterin dieses wesentliche Grundprinzip erklären sollten.
    Er durfte sich nichts vormachen. Ihr von jetzt an fernzubleiben war schlicht und ergreifend die richtige Entscheidung. Und das müsste ihm doch eigentlich leichtfallen. Er musste sie nicht sehen, um zu wissen, dass sie in der Nähe war; er kannte ihren Duft. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, und er unterdrückte den

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