Göttin der Rosen
folge deinem Instinkt. Er wird dich nicht im Stich lassen. Mache dir deine Erfahrung zunutze, Mikado. Ich glaube, ich werde es genießen, eine alte Empousa zu haben.«
»Also soll ich auf meinen Bauch hören?«
»So hätte ich es nicht ausgedrückt, aber ja«, antwortete Hekate. »Deine Dienerinnen werden dir helfen, aber denke immer daran – du allein bist meine Hohepriesterin. Sie personifizieren die Elemente, über die ich dir die Herrschaft verleihe. Freunde dich mit ihnen an, wenn du möchtest; nutze ihre Kräfte, wenn du sie brauchst. Genau wie die Dienerinnen steht auch der Wächter zu deiner Verfügung. Er ist eine magische Kreatur und hat geschworen, seine Macht zum Schutz meines Reiches einzusetzen. Wenn es ein Problem gibt, dann zögere nicht, ihn zu Hilfe zu holen.«
Bei der Erwähnung des Wächters spürte Mikki einen kleinen Schauer der Erregung. Schuldbewusst fragte sie: »Aber wenn ich denke, das Reich ist in Gefahr, sollte ich dann nicht Euch Bescheid geben?«
»Ich habe unzählige Pflichten und wirklich keine Zeit, jedem deiner Rufe zu folgen, als wäre ich deine Dienerin!«
Hekates plötzlicher Ärger traf Mikki so unvorbereitet, dass sie automatisch einen Schritt zurückwich. »Das habe ich nicht gemeint. Ich …«
Die Göttin unterbrach sie mit einer schroffen Handbewegung. »Ich vergesse manchmal, dass du keine Erfahrung mit den Aufgaben einer Empousa hast. Ich herrsche zwar als Göttin über das Reich der Rose, aber es liegt an dir und dem Wächter, es zu pflegen und zu beschützen. Ich würde gern mehr Zeit hier verbringen, aber meine Pflichten erlauben mir diesen Luxus nicht.« Hekate musterte Mikki aufmerksam. »Du darfst den Wächter nicht fürchten. Ich habe dir doch gesagt, dass er dir kein Leid zufügen wird.«
»Ich weiß.« Mikki biss sich auf die Lippe und starrte in die Gärten hinab, um Hekates Blick auszuweichen. »Er ist nur so völlig anders, als ich ihn mir vorgestellt hätte.«
»Ist er das?« Die Stimme der Göttin klang sanft. »Hast du mir nicht erzählt, dass du viel Zeit in den Rosengärten verbracht hast, in denen seine Statue stand?«
Mikki nickte. »Ja.«
»Wie kann er dann völlig anders sein, als du ihn dir vorgestellt hättest?«, erkundigte sich Hekate sachlich.
»Na ja, wenn man es so ausdrückt …« Mikki verstummte, als sie sich wieder der Göttin zuwandte.
»Es gibt keine andere Art, es auszudrücken«, erwiderte Hekate energisch. »In deiner Welt war er der stille Wächter der Rosen, und genau das ist er auch hier – nur nicht ganz so still. Wenn es dir das leichter macht, dann vergiss, dass er ein wildes Tier ist, und versuche einfach, ihn als Wächter zu sehen.« Ohne Mikki Zeit zum Antworten zu geben, fuhr sie fort: »Sehr schön. Ich muss dich jetzt verlassen. Iss dein Frühstück und dann rufe deine Dienerinnen zu dir, damit du dich ankleiden und mit den Pflichten des Tages beginnen kannst. Die Rosen mussten wirklich schon zu lange ohne die Pflege einer Empousa auskommen. Sie brauchen dich. Und denk daran, folge immer deinem Instinkt, Mikado. Erlaube deinem Geist und dem Wissen in deinem Blut, dich zu führen, und du wirst deine Aufgaben problemlos bewältigen …«
Die Göttin hob elegant eine Hand, und sie und ihre Hunde verschwanden in einem Regen sternfarbener Funken.
Kopfschüttelnd ging Mikki zu dem Tisch, der mit Obst, Brot und Käse beladen war. »Vielleicht wäre es einfacher, wenn ich wirklich irre wäre«, murmelte sie. Als sie sich eine Tasse aromatischen, rosengewürzten Tee eingoss, wünschte sie sich sehnlich ein paar Kopfschmerztabletten.
15
Das Essen war wirklich köstlich, vor allem der Käse. Mikki schluckte den letzten Bissen von dem Brot hinunter, das sie dick mit cremigem, weißem Frischkäse bestrichen hatte. Schon seit sie denken konnte, hatte sie eine heiße Liebesaffäre mit Käse – wie ihr runder Po ihr sicher bestätigt hätte –, und die Auswahl, die jemand auf dem Frühstückstisch für sie bereitgestellt hatte, war noch außergewöhnlicher als das gestrige Abendessen.
Wusste der Wächter etwa, was sie am liebsten mochte? Konnte er wie Hekate ihre Vorlieben und Ängste in ihren Gedanken lesen? Hatte er ihre Lieblingsspeisen aus ihrem Unterbewusstsein erfahren? Dann wusste er aber auch, dass sie an ihn dachte … und dass der Gedanke, ihn wiederzusehen, sie sowohl einschüchterte als auch erregte.
Ich bin wegen der Rosen hier!
Schuldbewusst zuckte sie zusammen. Er war ein Wesen aus einer seltsamen Welt,
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