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Göttin der Wüste

Göttin der Wüste

Titel: Göttin der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Krieges der Herero gegen die Deutschen nach Osten verlagert hatten, immer näher an den Rand der Kalahari.
    Bei der Erwähnung der Kalahari erinnerte sich Cendrine an die Bilder ihres Traumes. Ruinen im Sand. Eine Gestalt beim Fußmarsch durch die unendliche Wüste. Der Sturm aller Stürme.
    Doch all diese Bilder waren nur schlichte Erinnerungen an das, was sie damals gesehen hatte. Es waren keine eigenständigen Visionen, keine Fieberträume mehr, die sie aus heiterem Himmel überkamen. Seit sie sich bemühte, ihre Veranlagung zu akzeptieren – auch wenn sie fern davon war, sie zu verstehen –, und seit sie versuchte, sie gezielt einzusetzen, hatte sie die visionären Erscheinungen unter Kontrolle. Sie betete, daß es so bleiben würde.
    Tag um Tag schaukelte die Kutsche über die behelfsmäßigen Hauptstraßen des Landes, unebene Sandpisten, aufgewühlt von Pferdehufen und Karrenrädern. Immer wieder passierten sie Abzweigungen, die geradewegs ins Nirgendwo zu führen schienen, Wege, die unter Sanddünen oder hinter Hügeln verschwanden.
    Die Nächte verbrachten sie meist in einsamen Poststationen, in denen alte Männer Kost und Logis für ein paar Münzen oder auch für Neuigkeiten aus der Fremde anboten. Das Essen schmeckte immer katastrophal, war aber, so versicherten Cendrines Begleiter, äußerst nahrhaft und für eine Reise wie die ihre genau das Richtige. Cendrine verzichtete darauf, sich nach den Zutaten zu erkundigen; sie ahnte, daß die Antworten ihr nicht gefallen würden.
    Am siebten Tag erreichten sie Outjo, einen Stützpunkt der Schutztruppe, um den sich die Häuser und Hütten einer mittelgroßen Ansiedlung gruppierten. Sie übernachteten im Fort, dessen Räume zur Hälfte leer standen; die meisten Soldaten waren nach Osten abkommandiert worden. Outjo markierte in etwa die Hälfte ihrer Wegstrecke zur Engomündung, jenseits davon begannen die südöstlichen Ausläufer des Kaokovelds. Im Fort warnte man sie vor dieser unwirtlichen Gegend. Der Kommandant erzählte Cendrine, daß vor nicht ganz fünfzig Jahren die ersten Expeditionen in diese Region entsandt worden seien und daß man trotzdem auch heute kaum mehr darüber wüßte als damals. Mehrfach brachte er seine Verwunderung darüber zum Ausdruck, daß eine weiße Frau allein mit drei Schwarzen eine solche Reise antrat, und schließlich befürchtete Cendrine, er könne gegen ihren Willen versuchen, sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Sie beschloß, sich am nächsten Morgen in aller Frühe aus dem Fort zu stehlen. Doch dieser Plan erwies sich als unnötig, als ihr der Kommandant vor dem Schlafengehen anbot, ihr ein halbes Dutzend seiner Soldaten mit auf die Reise zu geben. Cendrine fühlte sich verpflichtet, mit ihren beiden San-Bewachern darüber zu sprechen, und als die Männer einwilligten, ja sogar erleichtert über diese Verstärkung waren, nahm sie das Angebot des Kommandanten dankbar an.
    So setzte sie am folgenden Morgen ihre Reise mit einer Eskorte fort, die auf acht Berittene angewachsen war. Die Soldaten sprachen kaum mit Cendrine; die meisten waren wohl ein wenig ungehalten über den unverhofften Auftrag. Gut möglich, daß sie ihr Leben aufs Spiel setzten, und das nur, damit ein unvernünftiges junges Frauenzimmer seinen Willen durchsetzte. Cendrine konnte ihnen ihren Ärger nicht verübeln, ließ sich aber auf keine Kompromisse ein. Die Reise mußte weitergehen, auch wenn ihre Beschützer lange Gesichter zogen.
    Am neunten Tag fuhren sie durch eine sonderbare Ansammlung hoher, schlanker Felsen, die keiner anderen Formation glichen, die Cendrine bislang in Südwest gesehen hatte. Einer der Soldaten erklärte ihr, es handle sich dabei um die Überreste eines versteinerten Waldes, prähistorische Giganten mit bis zu sechs Metern Umfang.
    Immer wieder begegneten ihnen wilde Tiere. Mehrfach sahen sie Oryxantilopen, herrliche Geschöpfe mit langen, pfeilgeraden Hörnern; einmal schienen sich die Tiere für ihre menschlichen Beobachter geradezu in Pose zu stellen, ein Anblick, der Cendrine tief beeindruckte. Raubkatzen bekam sie nie zu Gesicht, obwohl einige der Männer behaupteten, sie im Dunkeln um das Lager schleichen zu hören.
    Es gab keine Poststationen in dieser verlassenen Gegend, und so übernachteten sie in den muffigen Zelten, die die Soldaten errichteten. An einem Morgen erwachte Cendrine von fürchterlichem Getöse und Geschnaube, nur um bald darauf festzustellen, daß sie das Lager unweit einer Elefantenroute aufgeschlagen

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