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Göttin der Wüste

Göttin der Wüste

Titel: Göttin der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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wenn man versucht, eine Wahnsinnige von ihrem Wahnsinn zu überzeugen«, sagte er.
    »Allerdings.« Einem Impuls folgend, beugte sie sich vor und gab ihm einen Kuß auf die Wange.
    »Was soll das?« fragte er und wirkte dabei tatsächlich ein wenig aufgebracht. »Sie können mich nicht leiden, Cendrine. Das letzte Mal, als Sie so nah an mich rankamen, haben Sie mich angespuckt. Schon vergessen?«
    »Ich hatte einen guten Grund.«
    »Sie sind noch trotziger geworden als damals.« Er schaute noch einmal verstohlen auf den Hof, wirkte dabei aber nicht wirklich nervös. Cendrine hatte das Gefühl, daß es nur noch wenig gab, das ihn schrecken konnte. Abermals fragte sie sich, was er wohl durchgemacht hatte, das ihn so verändert hatte … was alle diese Männer durchgemacht hatten.
    »Was für ein Ort ist das, zu dem Sie wollen?« fragte er schließlich.
    »Darüber kann ich nicht reden.«
    »Ich wußte, daß Sie das sagen würden.« Er atmete tief durch, als wäre er gerade dabei, eine schwere Entscheidung zu treffen. »Warum brauchen Sie meine Hilfe überhaupt? Sie haben es allein bis hierher geschafft. Warum sollten Sie es nicht auch weiter –«
    »Hören Sie auf«, unterbrach sie ihn scharf. »Sie wissen so gut wie ich, daß die Wüste dort draußen etwas ganz anderes ist als das Land westlich von hier.«
    Er nickte. »Sie werden sterben, wenn Sie dorthin gehen.«
    »Vielleicht.«
    »Hat es mit Ihrem Bruder zu tun?«
    »Nein. Elias weiß nicht, daß ich hier bin.« Vorausgesetzt, fügte sie in Gedanken hinzu, Nanna hat es ihm nicht verraten. Aber auch das würde nichts mehr ändern.
    »Was erwarten Sie denn von mir?« zischte er. »Soll ich Ihr Kamel am Zügel nehmen und Sie führen?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Was brauchen Sie dann? Pferde? Einen Wagen? Verlangen Sie von mir, daß ich die Armee bestehle?«
    »Ich habe genug Geld.« Das war nicht ganz die Wahrheit. Die Summe, die Elias ihr mitgegeben hatte, reichte höchstens noch für ein weiteres Tier. Aber selbst dann blieb kaum etwas für die nötige Verpflegung. Sie benötigte Nahrung und Wasser für mindestens zwei Wochen.
    »Sie haben kein Geld mehr«, widersprach er, »sonst würden wir dieses Gespräch nicht führen.«
    »Ja, gut, ich brauche Verpflegung. Satteltaschen. Viel Wasser. Ein Packpferd kann ich selbst bezahlen.«
    Eine Weile lang glaubte sie tatsächlich, er dächte darüber nach. Dann aber verhärtete sich sein Gesichtsausdruck.
    »Nein.«
    Verzweiflung überkam sie. »Warum nicht, Herrgott noch mal?«
    »Warum?« Er packte sie an den Oberarmen und sah einen Moment lang aus, als wollte er sie kräftig durchschütteln. Dann aber entspannten sich seine Züge schlagartig, und er ließ sie los.
    »Ich war dort draußen, Cendrine. Mehr als einmal. Sie glauben, Sie kennen die Wüste, weil Sie es bis hierher geschafft haben?« Sein Ton wurde abfällig. »Nichts kennen Sie! Nicht das, was da draußen auf Sie wartet.«
    Sie hätte ihm gerne entgegengeschleudert, daß er nicht einmal eine Ahnung von dem hatte, was sie erwartete. Er fürchtete Sandstürme, Durst und Wüstentaranteln, aber ihr ging es um etwas ganz anderes.
    »Ich kann auf mich selbst aufpassen«, gab sie zurück, trotzig wie ein Kind. Himmel, sie fühlte sich so unendlich hilflos.
    »Das glauben Sie wirklich, ja? Weil Sie sich ein paar Karawanen angeschlossen haben, denken Sie, Sie wüßten, wie man in der Wüste überlebt. Aber wenn Sie allein dort hinaus gehen, ist da keine Eskorte, die sie beschützt. Keine fetten Händler, von denen Sie Dörrfleisch und Trockenobst kaufen können. Und ganz bestimmt keine Fässer auf dem Rücken von Kamelen, aus denen Sie sich nach Belieben einen Becher Wasser zapfen können. So ist das Leben hier nicht.«
    »Sie sind verbittert, das ist alles.« Plötzlich hatte sie das Bedürfnis ihn zu verletzen. »Warum sind Sie so wütend, Valerian? Weil die große Schlacht ohne Sie stattgefunden hat? Weil Sie nur ein paar halbverdursteten Frauen und Kindern nachjagen dürfen, statt mit einem Bajonett auf ihre Männer und Väter loszugehen?«
    Ihr taten die Worte schon leid, noch während sie sie aussprach. Doch es war zu spät, sie jetzt noch zurückzunehmen. Und wenn sie ehrlich war, wollte sie das auch gar nicht. In einem zumindest hatte Valerian recht: Sie hatte ihn nie leiden können.
    »Hilft es Ihnen, wenn Sie mich beleidigen?« fragte er ruhig. »Dann machen Sie weiter. Ich habe Schlimmeres über mich ergehen lassen, glauben Sie mir.«
    »Wollen Sie,

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