Göttin der Wüste
durcheinandergebracht. Plötzlich hatte er wieder begonnen, sich mit Angelegenheiten zu beschäftigen, vor denen Haupt ihn immer hatte behüten wollen.
Anfangs hatte Haupt gar nicht bemerkt, was es mit dem Mädchen auf sich hatte. Erst nach und nach war er dahintergekommen, zu einem Zeitpunkt, als es bereits zu spät war, sie von Adrian, aber auch von den San fernzuhalten. Er hatte lange mit Adrian darüber gesprochen, immer und immer wieder, aber der Junge hatte darauf bestanden, selbst auf sie achtzugeben. Seine närrische Verliebtheit war nachzuvollziehen, aber sie konnte sich sehr schnell fatal auswirken – für Cendrine und auch für ihn selbst.
Die Tatsache, daß Adrian ihm aus dem Weg ging, konnte nur bedeuten, daß er sich wieder intensiver bemühte, seine Fähigkeiten zu studieren und unter Kontrolle zu bringen. Haupt war sicher, daß Adrian versuchte, mit Cendrine Kontakt aufzunehmen, auf eine Art und Weise, die ihn erneut unter den Einfluß der anderen Welt bringen würde. Wilhelm war bei dem Versuch gestorben, sich dort zurechtzufinden, und Haupt schauderte bei dem Gedanken, daß es Adrian genauso ergehen mochte.
Jetzt war er unterwegs zu ihm, um ihn zu warnen und von seinem unseligen Vorhaben abzubringen. Irgendwie mußte es doch möglich sein, dem Jungen den Kopf zurechtzurücken. Verliebtheit hin oder her – wenn er dabei sein Leben und, wenn man den San glaubte, sogar noch weit mehr aufs Spiel setzte, mußte die Schwärmerei ein Ende haben.
Haupt war nicht so naiv oder weltfremd, tatsächlich zu glauben, daß sein Einfluß auf Adrian groß genug war, um eine Abkehr von Cendrine zu bewirken. Zumindest aber mußte er es versuchen, mußte ihn an den Schultern packen und ihn schütteln, bis ihm die Flausen vergingen. Damals, als Adrian erstmals in den Bann der Schamanenwelt geraten war, war alles noch ganz einfach gewesen. Er war nur ein Kind, das sich ungeliebt und vernachlässigt fühlte, gehemmt durch seine Taubheit. Heute aber war aus dem kleinen Jungen ein Mann geworden, und die Zeiten, in denen er Haupts Ratschlägen ohne Zögern Folge leistete, waren wohl oder übel vorbei.
Haupt wußte, es würde schwer werden, vielleicht sogar unmöglich. Dennoch war der Versuch die Mühe wert.
Der Wagen schaukelte und ächzte, als Magdalena ihn um die letzte Biegung zog. Vor ihnen erhob sich der Hang des Hügelrings, der das Tal der Kaskadens umgab.
Das Ausmaß der Verwüstung war schlimmer, als Haupt erwartet hatte. Die einstmals grünen Weinberge waren in eine ockerfarbene Ödnis verwandelt worden, aus der hier und da noch die Überbleibsel vereinzelter Reben hervorstachen. Der Kontrast zwischen dem, was gewesen war, und der Wüstenei, die sich jetzt am Fuß der Hügel ausbreitete, machte das Panorama nur noch furchteinflößender.
Aber Haupt durfte nicht zu viele Gedanken an das Schicksal der Familie Kaskaden verschwenden. Dafür war die Zeit zu knapp.
Rund um das Anwesen rührte sich kein Leben. Haupt hatte gehört, daß die Dienerschaft die Familie im Stich gelassen hatte. Ganz Windhuk sprach davon und schimpfte auf die vermeintliche Unzuverlässigkeit der Eingeborenen. Haupt aber verstand ihre Gründe. Er kannte die alten Geschichten, und er glaubte an ihren wahren Kern.
Der Wind, der von Osten her über das Land blies, war so kräftig, daß er blinzeln mußte. Überall wurden Pflanzenreste umhergetrieben, kleine Windhosen wirbelten Sand auf und tanzten wie Geister in der Einöde. Auch Magdalena wurde unruhig. Sie schien etwas zu wittern. Zum erstenmal kam Haupt der Gedanke, daß das Pferd durchgehen könnte. Was, wenn es die gleiche Witterung aufnahm wie die Tiere, die aus der Kalahari geflohen waren? War das, was sie vertrieben hatte, schon nah genug herangekommen, um auch die hiesigen Tiere um den Verstand zu bringen?
Er hatte das Torhaus mit seinen Zinnen und verspielten Türmchen fast erreicht, als er eine Bewegung auf einem der Dächer des Haupthauses wahrnahm. Einen Moment lang war ihm, als hätte er dort oben jemanden gesehen, eine Gestalt, die flink über eine der Schrägen huschte. Jetzt war sie verschwunden.
Er lenkte Magdalena unter dem Torhaus hindurch. Der Wind pfiff lautstark durch den dunklen Tunnel, wimmerte in Spalten und Winkeln. Auf der anderen Seite ließen die unheimlichen Geräusche nach, doch die Kraft des Windes blieb die gleiche. Die Böen schienen sich allmählich zu einem regelrechten Sturm auszuwachsen. Haupt hoffte, daß das Wetter ihn nicht zwingen würde, eine
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