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Göttin der Wüste

Göttin der Wüste

Titel: Göttin der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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anwesend und lümmelten wenig damenhaft auf den Sesseln herum. Cendrine räusperte sich, und sogleich nahmen die beiden eine gesittetere Haltung an.
    Wie wohlerzogen sie sind, dachte sie beeindruckt.
    Ihr eigenes Räuspern war kaum verklungen, als jemand hüstelte, der hinter ihrem Rücken stand. Als sie herumfuhr entdeckte sie Valerian, auch heute in Uniform, der ohne großes Interesse in einer Zeitschrift blätterte.
    »Einen wunderschönen guten Abend wünsche ich, Fräulein Muck.«
    »Ihnen dasselbe, Herr Kaskaden.« Ihr kam sofort ihre erste Begegnung in den Sinn, bei der sie ihm ins Gesicht gespuckt hatte, und jetzt spürte sie, wie sie rot anlief. Damit er es nicht bemerkte, drehte sie sich schleunigst herum und ging zu den Kindern.
    Kaum hatte sie einige Worte mit ihnen gewechselt, als Madeleine das Musikzimmer betrat. Sie trug zum ersten Mal seit Cendrines Ankunft ein Kleid, am Oberkörper eng geschnürt, aber weit um die Beine fallend. Cendrine dagegen hatte noch immer dasselbe Kleid an, das sie schon am Morgen getragen hatte, und sie fragte sich beklommen, ob dies wohl als Fauxpas gewertet wurde.
    Valerian trat vor, um seiner Mutter einen Kuß auf die Wange zu hauchen, und auch die Mädchen standen auf und umarmten sie pflichtschuldig.
    »Mein Mann wird erst morgen wieder bei uns sein«, erklärte Madeleine an Cendrine gewandt. »Er ist schon seit zwei Wochen unterwegs, um unsere Minen zu inspizieren. Aber Sie werden ihn morgen abend kennenlernen, dessen bin ich sicher. Er ist sehr neugierig auf Sie.«
    Cendrine fiel wieder Valerians Bemerkung ein, daß Madeleine keine jungen Frauen in ihrem Haus schätze, und sie fragte sich unwillkürlich, ob das mit ihrem Mann zu tun hatte. War sie eifersüchtig? Dabei schien dies doch eine Eigenschaft zu sein, die so gar nicht zu jener Madeleine Kaskaden paßte, die sie seit gestern kannte. Auch von einer Abneigung gegen jüngere Frauen hatte Cendrine bislang nichts bemerken können. Die Hausherrin war manchmal ein wenig ruppig, gewiß, aber das schien eher an ihrem offenherzigen Charakter zu liegen als an heimlichen Antipathien.
    »Setzen wir uns«, bat Madeleine und wies Cendrine einen Sessel am Kamin zu, gleich neben Lucrecia. Auch sie selbst und Valerian nahmen Platz. Auf dem Gesicht des jungen Soldaten spiegelte sich ein Anflug von Widerwillen, den Cendrine nicht einzuordnen wußte.
    Eine oder zwei Minuten vergingen, dann wurde die Tür des Musikzimmers erneut geöffnet, und ein junger Mann trat ein. In seiner Hand hielt er eine Oboe. Er trug einen schwarzen Anzug aus feinstem Stoff, und sein Haar war sauber gescheitelt. Doch bei all der Korrektheit seiner Erscheinung konnte Cendrine nicht umhin, eine leise Ironie in seinem Auftreten zu entdecken. Sie schaute der Reihe nach die anderen an, doch niemand schien ihre Beobachtung zu teilen.
    Dennoch war da etwas in seinen Augen, ein Blitzen, als er sie ansah, das sein steifes Äußeres Lügen strafte.
    Adrian und Valerian sahen sich zum Verwechseln ähnlich – solange man nur oberflächlich in ihr Gesicht blickte. Adrians Haar war länger, und er bewegte sich nicht so zackig wie sein Bruder, eher fließend, fast tänzerisch. Was ihm zudem vollkommen fehlte, war der militärische Zug um die Mundwinkel, den Valerian sich zu eigen gemacht hatte. Valerian erweckte permanent den Eindruck, als warte er nur darauf, strammstehen zu dürfen, während Adrian dergleichen völlig fremd zu sein schien.
    Warum sich Cendrine bei dieser ersten Begegnung trotzdem schwertat, Sympathie für ihn zu empfinden, vermochte sie nicht zu sagen. Etwas war an ihm, das andere auf Distanz hielt. Vielleicht, so dachte sie, ist das auch nur die Scheu vor seiner Behinderung. Sie schämte sich ein wenig für dieses Eingeständnis.
    Madeleine stellte sie und Adrian einander vor, wobei es Cendrine verblüffte, wie schnell er die Worte von den Lippen seiner Gesprächspartner ablas.
    »Verzeihen Sie«, bat er, »ich bin nicht sicher, ob ich Ihren Namen richtig ausspreche. Cendrine, nicht wahr?« Seine Aussprache war makellos.
    »Völlig richtig«, entgegnete sie lächelnd.
    »Adrian kokettiert nur«, bemerkte Valerian von seinem Platz im Sessel aus. »In Wahrheit hat er Ihren Namen schon eine ganze Weile lang geübt, gleich nachdem Vater Sie zum erstenmal erwähnte.«
    »Valerian!« wies Madeleine ihn zurecht, aber der Tadel in ihrer Stimme klang wenig überzeugend.
    Falls Adrian den Einwurf seines Bruders verstanden hatte, so ließ er es sich nicht

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