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Göttin der Wüste

Göttin der Wüste

Titel: Göttin der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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der Hausherrin zu widersprechen, auch wenn es ihr schwerfiel.
    »Jahre«, nahm Valerian die Antwort seiner Mutter vorweg. »Es ist eine Tortur, glauben Sie mir. Adrian ist ein Dilettant auf der Oboe, wie überhaupt in den meisten Dingen, und er –«
    »Valerian, bitte!« fiel Madeleine ihm ins Wort. »Sprich nicht so über deinen Bruder.«
    Valerian sprang aus dem Sessel und baute sich vor den anderen auf. Seine Stirn lag in Zornesfalten. »Warum nicht, Mutter? Es ist die Wahrheit, das weißt du genau! Warum sollen wir Fräulein Muck gegenüber nicht offen sein? Adrian ist nicht ganz richtig im Kopf, das ist alles!«
    Die beiden Mädchen hatten nach dem Ende von Adrians Vortrag stumm in ihren Sesseln gesessen, doch jetzt ergriff Salome das Wort.
    »Das ist nicht wahr! Adrian ist taub, aber er ist nicht –«
    »Verrückt?« entgegnete Valerian boshaft. »O doch, meine Liebe, das ist er.«
    »Valerian!« Madeleine stand blitzschnell auf, und einen Augenblick lang sah es aus, als wolle sie ihrem Sohn eine Ohrfeige geben.
    »Willst du mich wirklich schlagen, weil ich die Wahrheit sage?«
    Er lächelte kalt. »Frag Fräulein Muck, ob das die richtige Erziehungsmethode ist – sie muß es schließlich wissen.«
    Mit diesen Worten fuhr er herum und stürmte aus dem Zimmer. Madeleine wirkte einen Moment lang hin und her gerissen zwischen der Wahrung ihrer Würde und dem Drang, Valerian zu folgen. Sie hatte schon einige Schritte in Richtung Tür gemacht, als sie innehielt und sich umdrehte.
    »Verzeihen Sie diesen Eklat, Fräulein Muck«, zischte sie durch zusammengepreßte Lippen. »Ich werde dafür sorgen, daß dergleichen nicht noch einmal vorkommt.«
    Damit verließ auch sie das Musikzimmer, und Cendrine blieb mit den beiden Mädchen zurück.
    »Glauben Sie Mutter nicht«, sagte Lucrecia leise und wirkte dabei wie immer ein wenig traurig. »So was passiert oft, und es wird auch wieder passieren. Adrian bringt alle ganz durcheinander.«
    »Es liegt nicht an Adrian«, widersprach Salome entrüstet. »Es ist nicht seine Schuld. Er macht nur Musik.« Eine Träne blitzte in ihrem Augenwinkel.
    »Ja«, bestätigte Lucrecia leise. »Nur Musik.«
    ***
    Cendrine hatte die Kinder zu Bett gebracht und suchte den Weg zurück zu ihrem Zimmer. Die Schlafzimmer der Mädchen lagen im Obergeschoß des Nordtraktes, ihr eigenes befand sich irgendwo im Hinterhaus des Ostflügels. Im verschachtelten Gefüge des Hauses zog sich der Weg schier endlos in die Länge.
    Sie bog um mehrere Ecken, stieg Treppen hinauf und wieder hinunter und gelangte schließlich auf einen Korridor, den sie zu kennen glaubte. Es war dunkel hier, das einzige Licht stammte von dem dreiarmigen Kandelaber in ihrer Hand. Natürlich hätte sie einen der Dienstboten bitten können, sie zu führen, aber sie wollte den Weg allein finden.
    Weil du es nötig hast, dir etwas zu beweisen, wisperte eine Stimme in ihrem Inneren. Weil du nichts getan hast, um die Mädchen vor den Peinlichkeiten dieses Abends zu schützen.
    Aber was hätte sie denn tun sollen? Auch sie war Madeleine Kaskadens Entscheidungen ausgeliefert, und wenn es in dieser Familie Sitte war, Adrians haarsträubendem Oboenspiel zu applaudieren, nun gut, dann würde sie sich eben daran beteiligen. Zumal die Mädchen, vielleicht aus Gewöhnung, keinerlei Anstoß daran nahmen. Vor allem Salome verteidigte ihren merkwürdigen Bruder erbittert gegen jeden Angriff.
    Der ewige Wind, der aus dem Hochland von Khomas über die Auasberge wehte, wurde am Abend besonders heftig. Schon in der vergangenen Nacht war ihr aufgefallen, wie laut die Windstöße um die Ecken und Winkel des Hauses jaulten, und jetzt, allein in der Dunkelheit der Korridore, im engen Lichtschein der Kerzen gefangen wie in einer Seifenblase, kam ihr der Sturm besonders laut und furchterregend vor. Die Vorstellung, dieser leerstehende Trakt könnte einmal als Hotel für reiche Kolonialherren und ihre Familien dienen, schien ihr befremdlicher denn je. Das flackernde Kerzenlicht ließ die Muster der langgestreckten Teppiche erzittern, und die archaischen Reliefs, die hier und da in die Wände eingelassen waren, schienen nun voller Leben.
    Ihr Orientierungssinn hatte sie nicht getäuscht. Der Gang, in dem sie sich befand, stieß nach einigen Metern auf den Flur, an dem ihr Zimmer lag. Jemand hatte auf einer Fensterbank, genau gegenüber ihrer Tür, ein Windlicht zurückgelassen. Sie war dankbar dafür, nahm sich aber erneut vor, am nächsten Tag dafür zu

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