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Göttin des Frühlings

Göttin des Frühlings

Titel: Göttin des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.C. Cast
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Frühlings auch zu ihrem Wort stehen würde.
    Die eigene Vorgehensweise festzulegen, fühlte sich gut an. Lina war derart in Gedanken versunken, dass sie erst merkte, dass sie den Rand des Waldes erreicht hatte, als sie die Bäume bereits hinter sich ließ. Verwirrt schaute sie sich um und versuchte zu verstehen, was sie sah. Es gab keine Bäume mehr, auch kein Gras und kein Farn auf dem Boden. Die Landschaft war öde; die zimtfarbene Erde war aufgerissen und erodiert. Direkt vor ihr zog ein Fluss aus brodelnden Flammen dahin, der sich deutlich vor einem tintenschwarzen Hintergrund absetzte.
    Lina hielt die Luft an. Der Tartarus – sie war bis zum Rand der Hölle vorgedrungen.
    Dreh um. Geh zurück.
Ihr Kopf wusste, was zu tun war, doch ihr überwältigter Körper wollte ihr nicht gehorchen.
    Und dann hörte sie es, das Geflüster aus der Schwärze hinter dem brennenden Fluss. Wie Fäden des Hasses webte es ein Netz düsterer Erinnerungen: jeder Fehler, den sie je begangen, jede Lüge, die sie erzählt hatte, jedes Mal, wenn ihre Worte oder Taten andere verletzt hatten. Ihre sterbliche Seele zog sich zusammen. Wimmernd stolperte Lina unter dem Gewicht ihrer eigenen Missetaten voran. Sie fiel auf die Knie.
    Die ölige Dunkelheit leckte am Ufer des lodernden Flusses. Sie züngelte nach Lina mit Ranken des Hasses.
    Sie war gar keine Göttin. Sie war eine sterbliche Frau – mittleren Alters, schlichten Aussehens, unbegabt als Partnerin. Kein Mann liebte sie. Warum sollte das auch einer tun? Sie war eine Versagerin als Frau und Gattin. Sie hatte es verdient, allein zu sein.
    Langsam begann ihre Seele, sich von Persephones Körper zu trennen, und Lina spürte, dass sie sich allmählich auflöste.
     
     
    »Hades, du musst sofort kommen.« Der Daimon schrie, um die Aufmerksamkeit seines unablässig hämmernden Gottes auf sich zu lenken.
    Hades richtete sich auf und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. »Egal, was es ist, du musst dich selbst darum kümmern. Ich will nicht gestört werden.«
    »Es sind die Toten. Sie möchten mit dir reden.«
    Hades’ Gesichtsausdruck war düster und bedrohlich. »Dann können sie sich an ihren Gott wenden, wenn er Hof hält.«
    »Ich glaube nicht, dass du so lange warten willst, um zu hören, was sie zu sagen haben«, beharrte Iapis.
    »Lass mich in Frieden! Was sie zu sagen haben, kann mich heute nicht interessieren«, grollte Hades.
    Unbeeindruckt vom Wutausbruch seines Herrn, sah Iapis ihm in die Augen. »Sie sagen, dass mit Persephone etwas nicht stimmt.«
    Seine Tunika überstreifend, schoss Hades aus der Schmiede. Was er draußen sah, ließ ihn innehalten. Verteilt auf den angelegten Terrassen seines Parks befanden sich ungezählte Totengeister. Schweigend standen sie Seite an Seite: kleine Mädchen, Jungfrauen, Mütter, Matronen und alte Weiber.
    Ein altes Weib und eine Jungfrau, die Hades erkannte – sie hatten mit Persephone auf der Wiese getanzt –, lösten sich aus der ersten Reihe und kamen auf ihn zu. Sie machten einen tiefen Knicks. Die Alte sprach zuerst.
    »Großer Gott, wir treten vor dich aus Liebe zur Göttin des Frühlings. Etwas stimmt nicht. Die Göttin ist nicht sie selbst.«
    »Wir haben gesehen, wie sie durch den Wald ging«, sagte die Jungfrau. »Wir haben sie gerufen, aber sie hat uns weder gehört noch gesehen.«
    »Es war, als sei sie tot«, sagte die alte Frau.
    Angst fuhr wie ein Dolch in das Herz des Gottes. »Wo wurde sie zuletzt gesehen?«
    »Dort!« Die Alte und das Mädchen drehten sich um und wiesen in die entsprechende Richtung.
    Sie zeigten auf den Tartarus.
    »Sattelt mir Orion!«, befahl Hades mit einer Stimme, die bis zu den Stallungen reichte.
    Dann schloss er die Augen und atmete tief durch. Er blendete die Stimmen der Toten aus und konzentrierte sein gesamtes Ich auf Persephone. Er fand das Band, dass ihre Seelen miteinander vereinte, das Band, das ihm verraten hatte, dass sie seine Schmiede betrat und wieder verließ. Doch es war, als sei es durchschnitten. Ihre Verbindung war unterbrochen. Angst keimte in ihm auf.
    »Bring mir Zerberus!«, befahl er Iapis. Der Daimon nickte und verschwand.
    Hades drehte sich wieder zu den Geistern der Frauen um. »Es war richtig, zu mir zu kommen.«
    Die Alte und das Mädchen neigten den Kopf, die Masse dahinter tat es ihnen nach.
    Hades’ Blick schweifte über die Gesichter um ihn herum.
    »Eurydike! Bring mir eines von Persephones Kleidungsstücken! Etwas, das sie vor kurzem getragen

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