Göttin des Frühlings
ist du geworden.«
»Warum?«, krächzte Lina.
»Du hast mich um Hilfe angerufen. Meine Tochter erfüllt diese Bitte.«
»Deine Tochter? Aber was hat der Umstand, dass deine Tochter mit mir den Körper getauscht hat, mit der Rettung meiner Bäckerei zu tun?« Völlig verwirrt bemühte sich Lina, ruhig zu bleiben.
»Dummes Kind!«, fuhr Eirene sie an. »Schluss jetzt mit diesen Fragen. Es gibt keinen besseren Weg, deiner unbedeutenden kleinen Bäckerei neues Leben einzuhauchen, als sie mit dem personifizierten Frühling zu segnen.«
Streng sah Lina Eirene an. Sie war verwirrt und nicht in ihrem Element, aber sie würde sich mit Sicherheit nicht von dieser Frau beleidigen lassen.
»Zuerst einmal bin ich kein Kind. Nenn mich nicht so.« Eirene bekam große Augen. »Zweitens ist es für dich vielleicht ›eine unbedeutende kleine Bäckerei‹, aber du sprichst über mein Lebenswerk und die Lebensgrundlage meiner Angestellten. Ich habe jedes Recht, Fragen zu stellen und eine Antwort zu verlangen.«
»Wie kannst du es wagen …«, platzte es aus Eirene heraus, doch Demeter brachte sie mit erhobener Hand zum Schweigen.
»Genug.« Obwohl der Tonfall der Göttin autoritär war, blieb ihr Gesicht offen und nachdenklich, während sie Lina musterte. »Deine Fragen sind berechtigt.«
Eirene schnaubte verächtlich. Demeter neigte den Kopf in Richtung ihrer Freundin.
»Carolina Francesca beweist uns nur ihre Reife und ihr Verantwortungsgefühl.«
Eirenes Lippen wurden zu einem schmalen Strich, doch sie sagte nichts mehr.
»Lina«, korrigierte Lina und zog so die Aufmerksamkeit der Göttin wieder auf sich. »Meine Freunde nennen mich Lina.«
Demeter hob die Augenbrauen.
»Es wäre mir eine Ehre, wenn auch du mich Lina nennen würdest«, sagte sie und hielt den Atem an. War sie jetzt zu weit gegangen?
»Dann werde ich das tun«, erwiderte Demeter.
»Und du wirst sie mit ›Große Göttin‹ anreden …«
»Oder mit Demeter«, unterbrach die Göttin ihre Freundin und warf ihr einen belustigten Blick zu.
»Demeter«, sagte Lina, »bitte erkläre mir, warum Persephone und ich den Platz getauscht haben.«
»Ich habe dein Flehen gehört. Es hat mich gerührt. Seit langer Zeit hat mich niemand aus deiner Welt mit solch aufrichtiger Inbrunst angerufen. Ich entschied mich, deinen Ruf zu erhören.«
Mit ihrer freien Hand rieb sich Lina die Stirn. »Aber warum deine Tochter und mich vertauschen? Hättest du nicht einfach, keine Ahnung, neues Leben in mein Geschäft zaubern können?«
Demeters Lippen verzogen sich fast zu einem Lächeln. »Das habe ich. Ich habe meine Tochter dorthin geschickt.«
»Ich will ja nicht unhöflich sein, Demeter, aber was weiß deine Tochter übers Backen?«
»Meine Tochter besitzt die Weisheit einer Göttin.« Demeters Gesichtsausdruck wurde härter, ihre Stimme machte Lina eine Gänsehaut. »Außerdem ist sie die Verkörperung des Frühlings. Sie wird deiner Bäckerei große Ehre erweisen und ihr die Frische neuen Lebens bringen.« Der Blick der Göttin wurde weicher. »Hab keine Angst, Lina! Du hast mein Wort, dass dein Geschäft blühen und gedeihen wird. In sechs Monaten wird das Geld, das du dem Steuereintreiber schuldest, dreifach zurückgezahlt sein.«
»In sechs Monaten?« Lina hatte das Gefühl, einen Schlag in den Magen zu bekommen. »Sechs Monate lang soll sie meinen Platz einnehmen? Was soll ich denn tun, während sie ich ist?«
Demeter schien über die Frage nachzudenken. »Es gibt eine kleine Aufgabe, die du für mich übernehmen könntest. Für eine Frau mit deiner Reife und Erfahrung sollte das leicht zu schaffen sein.« Demeters Augen fingen Linas Blick auf, als sie die letzten Worte von Linas Anrufung wiederholte. »Sagen wir einfach, dass du mir einen Gefallen tust.«
Lina hatte diesen Tausch selbst angeboten. Die Göttin hatte akzeptiert. Und als Geschäftsfrau würde Lina ihr Wort halten.
Sie nickte steif. »In Ordnung. Was kann ich für dich tun?«
6
»Ich soll für dich in die Hölle gehen?« Linas Kopf begann zu pochen.
»Stelle sie dir nicht mit deiner begrenzten sterblichen Phantasie vor«, entgegnete Demeter. »Der Hades ist die Unterwelt. Ein Ort, wo die Seelen die Ewigkeit verbringen. Es gibt viele verschiedene Reiche in der Unterwelt – die meisten sind Orte voller Schönheit und Magie.«
»Und der Rest ist die Hölle«, sagte Lina. Sie warf Eirene einen Seitenblick zu, die ihr Gespräch mit Demeter ungeduldig verfolgte. Wenn die alte Frau eine Uhr
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