Göttin des Frühlings
entschuldigt und bin gegangen.«
»Darf ich vorschlagen, dass du dich das nächste Mal entschuldigst und bleibst, mein Herr?«, sagte Iapis.
»Das nächste Mal?«
Hades spürte ein allzu vertrautes Brennen in der Brust. Er wusste, dass es bald in seiner Kehle ankommen und er wieder eine elende, schlaflose Nacht vor sich haben würde. Er war zu cholerisch. Das sei sein Fehler, hatte Hermes gesagt.
Iapis nickte. »Das nächste Mal.«
»Sie ist anders.« Hades’ Stimme war tiefer geworden; er sprach mit ruhiger Eindringlichkeit.
»Ja, das ist sie.«
»Sie geht den Geistern nicht aus dem Weg. Sie …« Hades unterbrach sich, dachte an ihr Erröten, an die Neugier in ihrer Stimme und die Wärme in ihren Augen. Er biss die Zähne aufeinander. »Für den Rest ihres Besuchs sollte ich mich von ihr fernhalten.«
»Mein Freund« – Iapis legte die Hand auf die Schulter des Gottes –, »warum erlaubst du dir nicht, ihre Gegenwart zu genießen?«
»Zu welchem Zweck?« Hades rieb sich über die Brust und schob die Hand des Daimons beiseite. »Damit ich einen Vorgeschmack aufs Leben bekomme? Und wenn sie dann geht oder das Interesse am Schäkern mit mir verliert – was früher oder später geschehen wird –, was bleibt mir dann? Es ist nicht genug, Iapis. Es war noch nie genug.«
Und da war es wieder, dachte Hades und ging erneut auf und ab, da war das, was ihn vom Rest der Unsterblichen trennte. Anders als die übrigen Gottheiten sehnte er sich nach etwas, das er immer wieder zwischen den Seelen von Sterblichen gesehen hatte, aber nicht ein einziges Mal, nicht einmal kurzfristig, zwischen Unsterblichen.
»Mein Herr«, sagte Iapis sanft, »ist es nicht besser, zumindest ein klein wenig Glück zu erleben als gar keins?«
»Ich bin nicht so gestrickt wie die anderen. Ich weiß nicht, wie man mit der Liebe spielt.«
Der Daimon schaute in die gequälten Augen des Gottes und erkannte dort die Einsamkeit, die Hades seit zahllosen Jahren in sich hineinfraß. Sein Freund tat ihm leid. Er dachte an Persephone. Die junge Göttin hatte etwas an sich, das einzigartig war, etwas, das über ihre viel gelobte Schönheit und ihre Fähigkeit hinausging, Licht ins Dunkel zu bringen. Hades durfte Persephone nicht aus dem Weg gehen. Wenn er das tat, fürchtete Iapis, würde der Gott der Unterwelt für alle Zeit die Tür zuschlagen und niemals die dunkle Einsamkeit seiner Existenz erhellen können.
Doch wie sollte er Hades davon abbringen, sich von der Göttin fernzuhalten, bis ihr Aufenthalt hier beendet war? Sein Herr hatte keine Übung im Umgang mit Gästen. Sein Leben war durchgeplant und geordnet, alles andere als offen für eine Störung durch andere Unsterbliche. Und die Frühlingsgöttin war auf jeden Fall eine Störung.
Außerdem war sie wunderschön, temperamentvoll und faszinierend.
Wenn sich Hades in ihrer Gegenwart doch nur so wohl fühlen könnte wie unter den ungezählten Toten. Iapis hatte eine Idee. Er riss die Augen auf.
»Vielleicht weiß ich eine Lösung, mein Herr.«
Hades machte ihm ungeduldig Zeichen weiterzusprechen.
»Stell dir einfach vor, Persephone sei eine der ungezählten Toten.«
»Iapis, das ist ja albern.«
»Warum?« Der Daimon warf entnervt die Hände in die Luft. »Du führst Krieg mit dir selbst, Hades! Du sagst, du willst dich von ihr fernhalten, doch wenn du von ihr sprichst, sehe ich in deinen Augen ein Funkeln, das ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen habe. Was ist, wenn die Parzen gnädig waren und es noch einen zweiten Unsterblichen gibt, der so ist wie du? Wie wirst du das je erfahren, wenn du dich von allem fernhältst, was lebendig ist? Gib der Göttin eine Chance, mein Herr.«
Bevor Hades etwas erwidern konnte, legte Iapis den Kopf schief, als lausche er einer inneren Stimme.
»Sie hat mich gerade gerufen.«
»Geh zu ihr!«, befahl Hades. Doch kaum war Iapis verschwunden, rief der Gott ihn wieder zurück.
»Mein Herr?«, fragte Iapis.
»Lade die Frühlingsgöttin ein, morgen im Großen Saal an meiner Seite zu sein. Sag ihr, wenn sie sich immer noch für die Unterwelt interessiere, dann sind die Gesuche der Toten ein hervorragender Informationsquell für sie.« Hades sprach schnell, als habe er Angst, es sich noch anders zu überlegen.
Iapis lächelte rätselhaft. »Sehr wohl, mein Herr.«
»Also dann bis morgen, Göttin«, sagte Iapis.
Fast hatte er Linas Schlafgemach in gebeugter Haltung verlassen, da stürzte Eurydike durch die geöffnete Tür
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