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Göttin des Frühlings

Göttin des Frühlings

Titel: Göttin des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.C. Cast
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zu der Säule, auf der die Tarnkappe ruhte. Fest nahm er sie in beide Hände. Wie immer war der Daimon von dem Gewicht überrascht. Der Helm wirkte so leicht, doch war er tatsächlich eine schwere Last. Er brachte ihn dem Herrn der Unterwelt.
    Hades nahm die Kappe entgegen. Dann überlegte er.
    »Iapis, du musst etwas für mich überprüfen.«
    »Aber sicher, mein Herr.«
    »Schau nach, ob Äneas vor kurzem ins Elysium gekommen ist.«
    »Das mache ich, Hades.«
    Der Gott nickte. Dann setzte er sich mit einer schnellen Bewegung die Tarnkappe auf den Kopf. Der Schmerz, der seinen Körper durchfuhr, war unerträglich. Er kniff die Lippen zusammen und weigerte sich, der Qual zu erliegen. Es würde vorübergehen, sagte er sich – alles Wichtige hatte seinen Preis. Tief atmete er in den Schmerz, bis seine Sinne wieder klar waren.
    Iapis sah, wie der Körper seines Gottes erbebte und dann verschwand. Er sprach mit dem leeren Raum vor sich: »Bring sie zurück, mein Herr!«
    Hades’ Antwort schwebte ihm durch den Raum zu: »Das werde ich …«

14
    Lina verfiel in einen mal schnelleren, mal langsameren Laufrhythmus. Es gelang ihr, Eurydikes Rücken gerade so im Blick zu behalten, aber außerhalb der Reichweite von Orpheus’ Musik zu bleiben.
    »Wird der denn nie müde?«, murmelte sie vor sich hin. Jetzt, da sie die Situation mit nüchternem Kopf Revue passieren ließ, nicht mehr eingesponnen von den unwiderstehlichen Noten eines Magiers, der sich als Musiker ausgab, war es nicht schwer, die drogenähnliche Wirkung zu erkennen, die Orpheus’ Musik auf alles und jeden ausübte, der sie hörte. In seiner Nähe hielten die Toten auf ihrer Pilgerreise ins Elysium inne. Blumen und Bäume wandten sich ihm zu. Selbst Lina stellte fest, dass sie lächerlich selig grinste, wenn sie seiner Stimme zu nahe kam.
    »Uh. Er erinnert mich an zuckersüße Bonbons. Am Anfang ist es toll, aber ziemlich schnell will man sie einfach nur noch ausspucken.« Lina sprach mit sich selbst, suchte Trost im nüchternen Klang ihrer eigenen Stimme, während sie kurz den verdutzten Geistern zunickte, die einen Knicks oder eine Verbeugung machten, wenn sie vorbeieilte. »Ich hätte klüger sein sollen. Ich hätte mehr auf Eurydike achten sollen als auf den Sänger. Und ich hätte nach der ganzen Sache mit Dido nicht so eingebildet sein dürfen.« Frustriert biss sie sich auf die Lippe.
    Der Himmel vor ihr änderte seine Farbe. Ein Schauder der Beklommenheit überlief sie. Nur zu gut wusste Lina, dass das schwindende Licht das Ende der heiteren, hellen Seite der Unterwelt ankündigte. Sie war auf dem Weg, den sie mit Eurydike in die Tiefe genommen hatte.
    Lina befahl sich, nicht an die schlechten Träume und die Dunkelheit zu denken. Wenn Eurydike abermals dort hindurch musste, würde sie es auch schaffen.
    Weiter vorne hörte sie wildes Gebell. Dann wurde die ferne Musik lauter, und das Kläffen ebbte ab zu einem welpenähnlichen Jaulen und Winseln. Lina schüttelte den Kopf. Was zur Hölle – bei der unbeabsichtigten Wortwahl zuckte sie zusammen – machte Orpheus da? Sie wappnete sich gegen seine betörende Melodie und legte einen Schritt zu, bis sie beinahe rannte. Persephones lange Beine trugen sie rasch voran. Ihr Atem ging tief und gleichmäßig. Lina lächelte zufrieden. Persephones Körper war nicht nur jung, er war auch hervorragend in Form.
    Der Weg machte eine scharfe Linkskurve, und Lina wurde langsamer, bis sie nur noch Schritttempo ging. Direkt vor ihr versperrte ein gigantischer Hund den Weg.
    Das Wesen hob seinen Kopf und knurrte bedrohlich. Lina blinzelte für den Fall, dass sie ein Trugbild vor sich hatte, doch es änderte sich nichts.
    »Das verfluchte Teil hat drei Köpfe«, brachte sie hervor.
    Das verfluchte Teil knurrte.
    Lina biss die Zähne aufeinander. Es war nur ein Hund. Sicher, der größte, den sie je gesehen hatte. Und er hatte –
merda!
 – drei Köpfe.
    Zähnefletschend drohte ihr das Biest. Speichel tropfte aus den drei Kiefern.
    Kiefer?
    Erleichterung stand auf Linas Gesicht geschrieben, sobald ihr verdutztes Gehirn begriffen hatte, was sie vor sich hatte. Der Hund war nichts anderes als eine vergrößerte Version von Edith Anne, komplett mit Sabber und Unterbiss – mal drei.
    Als Lina lachte, richteten sich drei Paar Ohren auf sie.
    Sie ging vor und sprach mit einer Stimme, die sie gerne als »Hundestimme« bezeichnete (und die ganz anders war als ihre »Katzenstimme« – Katzen hatten nichts für

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