Göttin des Frühlings
zu starren, die der Tropfen auf seiner glitzernden Haut hinterlassen hatte. Mit verbotener Heftigkeit wünschte sie sich, diese Spur mit der Zunge nachfahren zu können.
»Persephone? Ich habe nur einen Scherz gemacht. Natürlich darfst du Orion reiten«, versicherte ihr Hades. Warum sagte sie nichts? Es war gar nicht ihre Art, so schweigsam zu sein.
»D...d...danke.« Lina riss ihren Blick los und sah den Gott an. »Es tut mir leid. Ich war wohl mit den Gedanken woanders.«
Hades nickte verständnisvoll. »Natürlich, es war ja auch ein schwieriger Tag.« Verlegen sah er sie an. »Ich habe Iapis gebeten, mich zu unterrichten, ob Äneas im Elysium eingetroffen ist.«
»Wirklich?« Hades’ Worte weckten Linas Interesse. »Und was hat er gesagt?«
»Offenbar schulde ich dir einen Kristalllüster. Die Seele des Kriegers ruht tatsächlich in den elysischen Gefilden. Und genau wie du vorausgesagt hast, ist sie erst vor kurzem in der Unterwelt angekommen.«
Vor Sorge runzelte Lina die glatte Stirn. »Was hast du jetzt mit Dido vor?«
Der Gott seufzte und wischte sich den nächsten Schweißtropfen von der Wange. »Ich werde meine Entscheidung nicht widerrufen. Ich muss wohl dafür sorgen, dass Iapis sie ihm Auge behält und …« Er unterbrach sich. Der Instinkt der Göttin in Bezug auf Dido hatte sich als richtig erwiesen. Warum sich nicht von ihr helfen lassen? Er sah sie abwägend an. »Was sollte ich deiner Meinung nach tun, Persephone?«
Lina fühlte sich geschmeichelt; Hades schätzte ihre Meinung. »Nun, ich halte es nicht für klug, sie zusammen im Elysium zu lassen. Auf diese Weise wird Dido nie über ihn hinwegkommen.« Geistesabwesend zog sie an einer langen Haarsträhne und überlegte, was mit dem Geist der Königin zu tun sei. »Ich nehme an, du möchtest Äneas nicht aus dem Elysium verbannen?«
»Nein. Der Krieger hat das Paradies verdient.«
»Und du hast schon gesagt, dass du Dido nicht zurück an diesen Klagefluss schicken willst, daher denke ich, die einzige vernünftige Lösung wäre, sie aus diesem Fluss trinken zu lassen, ich meine …« Lina zögerte, versuchte, sich an den Namen zu erinnern. »Ich meine Lethe. Du hast gesagt, wenn man von Lethe trinkt, vergisst die Seele das eigene Leben, bleibt aber im Grunde genommen dieselbe Person. Schick Dido zurück in ein neues Leben! Vielleicht hat sie während ihres Klagens doch etwas gelernt, irgendeine Erkenntnis, die durch Äneas’ Gegenwart überschattet wird, doch ohne die Erinnerung an ihn …« Lina machte eine hilflose Handbewegung. »Wahrscheinlich will ich damit sagen, dass sie es beim zweiten Versuch vielleicht besser machen wird.«
Hades’ Lächeln ließ seine Augen aufblitzen. Er wollte seine Arme um sie schlingen und vor Freude jubeln. »Persephone, wie kommt es, dass eine so junge Göttin gleichzeitig so weise ist?«
Linas Herz pochte angesichts seines warmherzigen Blicks. »Du solltest mich nicht nach meinem Aussehen bewerten. Ich habe deutlich mehr zu bieten als nur ein hübsches junges Gesicht.«
Der Gott konnte sich nicht zurückhalten, dieses hübsche Gesicht zu streicheln. »Du hast schon wieder recht. Von allen Göttern sollte gerade ich es besser wissen, als andere nach ihrem Aussehen oder nach dem Gerede über sie zu beurteilen.«
Er hatte heiße Finger. Am liebsten hätte Lina ihr Gesicht an seine Hand geschmiegt und sich an ihn gedrückt.
»Ich bin alles andere als perfekt«, sagte sie mit einer Stimme, die kaum mehr als ein Flüstern war. »Ich habe einen Fehler begangen, als es um Eurydike ging.«
»Aber du warst klug genug, deinen Fehler wiedergutzumachen. Du hast den kleinen Geist gerettet. Jetzt ist alles so, wie es sein soll.« Seine Hand bewegte sich von ihrem Gesicht zu der mondlichtweißen Blüte, die sie sich hinters Ohr geschoben hatte. Hades blickte zu der Blume. »Ich hatte gehofft, dass dir Orions Schmuck gefallen würde.«
Linas Antwort klang atemlos. »Er sah sehr hübsch aus mit der Blume im Zaumzeug. Es ist eine wunderschöne Blüte.«
Sprich aus, was du denkst!,
ermunterte Hades’ innere Stimme den Gott. Er holte tief Luft und sagte: »Es ist wirklich eine wunderschöne Blüte, doch sie verblasst im Vergleich zu deiner Lieblichkeit, Persephone.« Dann fuhr seine Hand, als bewege sie sich von selbst, an ihrem Hals entlang und liebkoste die zarte Haut mit sanften Fingern.
Die Göttin hielt den Atem an. Ein überraschtes »Oh!« kam über ihre Lippen. Sofort hielt Hades inne, seine Hand
Weitere Kostenlose Bücher