Göttin des Lichts
wie ein geschmeidiges Reptil auf die Straße hinaus. Er hatte ein scheußlich flaues Gefühl im Magen, und es klingelte ihm in den Ohren. Er konnte die Augen nicht von der Welt draußen losreißen, die in schwindelerregendem Tempo vorbeisauste.
»Alles in Ordnung mit dir? Du siehst blass aus«, bemerkte Pamela.
»Sie hat recht, du bist ganz weiß«, bestätigte Artemis. »Vielleicht hilft, etwas zu trinken.« Sie griff nach dem Eisbehälter, in dem eine Flasche Sekt und ein schmaler Krug mit Orangensaft standen.
»Nein! Ich möchte nichts trinken!«, protestierte er, denn er hatte Angst, dass alles, was er jetzt zu sich nahm, ihm sofort wieder hochkommen würde.
»Du bist reisekrank«, stellte Pamela fest. »Wahrscheinlich würde es dir bessergehen, wenn du dich zu Robert nach vorn setzt. Meiner Freundin wird hinten auch immer schlecht. Soll ich Robert sagen, er soll anhalten, damit du umsteigen kannst?«
»Ich bin ein Gott«, erwiderte Apollo langsam und mit zusammengebissenen Zähnen. »Mir wird nicht übel.«
»Wie du willst. Aber wenn du in Eddies Wagen kotzt, wird mein Arbeitgeber total sauer, das kann ich dir versprechen.«
Apollo schloss die Augen und versuchte, nicht daran zu denken, dass sie in einem Metallmonster über den Erdboden fegten, das jeden Augenblick gegen etwas stoßen und in tausend Trümmer zerbersten konnte.
»Was ist eigentlich ein Mimosa?«, fragte Artemis.
»Das ist einfach Sekt mit Orangensaft«, antwortete Pamela.
»Tja«, sagte die Göttin, blickte ins bleiche Gesicht ihres Bruders und zuckte die Achseln, »ich versuche es mal. Du auch, Pamela?«
»Nein, danke.«
Unbeirrt griff Artemis nach einer Sektflöte. »Siehst du, wie höflich ich sein kann?«
»Ist echt ein Wunder«, brummte Pamela.
»Warte nur, das Beste kommt noch.« Die Göttin nippte an ihrem Glas und grinste Pamela verschmitzt an.
Pamela nahm sich vor, es zu machen wie Apollo: Sie schloss ebenfalls die Augen und betete im Stillen, dass die Fahrt, der Tag – am besten die ganze Woche – möglichst bald vorüber sein würde. Aber vorher nahm sie Apollos Hand und drückte sie fest.
23
E. D. Fausts Feriendomizil war im Stil einer bezaubernden toskanischen Villa erbaut, was Pamela sehr erleichterte. Ja, sie hatte den Grundriss gesehen und die architektonischen Notizen durchgelesen, die James ihr mitgegeben hatte. Aber nach Eddies bizarrem Anliegen war sie misstrauisch geworden, was sie hier erwartete. Als sie aus der Limousine stiegen und sich den beeindruckenden schmiedeeisernen, mit edlem Tiffany-Glas verzierten Flügeltüren näherten, erinnerte sie sich allerdings daran, dass sie auch beim Anblick der Fassade des Forums auf ein schlicht gestyltes und klassisch geschmackvolles Inneres geschlossen hatte. Tja. So viel zum Thema, dass der erste Eindruck täuschen konnte.
Sie blickte zu Artemis hinüber, kühl und wunderschön in der Morgensonne. Ihre Wangen waren leicht gerötet, eine lange Locke ihrer blonden Mähne hatte sich aus der kunstvollen Kronenfrisur befreit.
Die Göttin strich sich den Rock ihrer kurzen Tunika glatt, gab ein kleines Hicksen von sich und kicherte leise. Als Pamela sie etwas genauer in Augenschein nahm, hätte sie fast einen Schreckensschrei ausgestoßen. Du lieber Himmel! Artemis machte einen ziemlich angeheiterten Eindruck. Warum zur Hölle hatte sie im Auto die Augen zugemacht, statt auf Artemis aufzupassen? Wie viele Mimosas hatte sie sich in dreißig Minuten wohl auf leeren Magen einverleibt, während Pamela dagesessen, Apollos Hand gehalten und nichts mitbekommen hatte?
»Bist du etwa betrunken?«, zischte sie.
Artemis schenkte ihr ein schläfriges Stirnrunzeln. »Götter werden nicht betrunken. Das passiert nur Sterblichen. Benimm dich nicht wie ein dummes kleines Blümchen.« Sie drohte Pamela scherzhaft mit dem Finger.
Pamela verdrehte die Augen. »Im Moment bist du aber keine Göttin, erinnerst du dich?«
Am liebsten hätte sie laut geschrien, aber stattdessen wandte sie sich hilfesuchend an Apollo. Dessen Gesichtsfarbe war eine sonderbare Mischung aus Weiß und Grün, und er wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. »Alles in Ordnung bei dir?«, erkundigte sie sich.
Er nickte. »Jetzt ist es besser als in diesem …« Er schauderte und sah in die Richtung, in der das Auto verschwunden war.
»In dieser Limousine«, erklärte sie. »Das ist eine Limousine.« Sie steckte in einem nicht enden wollenden Albtraum fest. »Na gut, wir machen
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