Goettin in Gummistiefeln
Stunden nicht mehr gesehen. Carter Spink hat offenbar das ganze Haus requiriert.
»Du hast die richtige Entscheidung getroffen, das weißt du«, sagt Guy.
»Ich weiß.« Ich wische einen Fussel von meinem Rock.
»Du siehst umwerfend aus. Du wirst sie umhauen.« Er lässt sich seufzend auf der Armlehne eines Sofas nieder. »Mensch, ich hab dich vermisst, Samantha. Ohne dich war‘s einfach anders, nicht wie früher.«
Ich schaue ihn einen Moment lang wortlos an. Hat er überhaupt so etwas wie Schamgefühl? Oder haben sie ihm das in Harvard auch abtrainiert?
»Dann bist du jetzt also wieder mein bester Kumpel. Komisch.«
Guy starrt mich an. »Was soll das heißen?«
»Jetzt komm schon, Guy.« Ich weiß nicht, ob ich lachen soll. »Als ich in Schwierigkeiten steckte, wolltest du nichts von mir wissen. Und jetzt sind wir plötzlich wieder gute Kumpels - so wie früher?«
»Das ist unfair!«, entgegnet Guy hitzig. »Ich habe alles für dich getan, was ich konnte, Samantha. Ich habe auf diesem Meeting für dich gekämpft. Arnold war derjenige, der dich nicht zurückhaben wollte. Aber da wussten wir ja noch nicht -«
»Trotzdem. Als ich bei dir übernachten wollte, hast du mir einen Korb gegeben, stimmt‘s?« Ich schenke ihm ein Halblächeln. »So weit ging die Freundschaft dann doch nicht.«
Guy sieht aufrichtig verletzt aus. Er streicht sich mit beiden Händen die Haare zurück.
»Das tat mir wirklich Leid. Aber es lag nicht an mir. Charlotte wollte es nicht. Ich war deshalb so wütend auf sie -«
»Klaro.«
»Doch, war ich!«
»Sicher«, sage ich sarkastisch. »Und ich nehme an, ihr habt deswegen einen Riesenkrach gehabt, und dann habt ihr euch getrennt.«
»Ja.«
Das nimmt mir total den Wind aus den Segeln.
»Ja?«, presse ich fassungslos hervor.
»Wir haben uns getrennt.« Er zuckt mit den Achseln. »Wusstest du das nicht?«
»Nein! Ich hatte keine Ahnung! Es tut mir Leid. Ich wollte wirklich nicht ...« Ich breche verwirrt ab. »Ich wollte nicht ... war es wirklich wegen mir?«
Guy antwortet nicht. In seine braunen Augen tritt ein intensiver, ja leidenschaftlicher Ausdruck. In mir keimt vages Unbehagen auf.
»Samantha«, sagt er, den Blick starr auf mich gerichtet. »Ich hatte immer das Gefühl...« Er vergräbt die Hände in den Hosentaschen. »Ich hatte immer das Gefühl ... als hätten wir irgendwie unsere Chance verpasst.«
Nein. Nein. Das kann nicht sein.
Wir haben unsere Chance verpasst? Jetzt sagt er das?
»Ich habe dich immer bewundert. Ich hatte immer das Gefühl, dass es zwischen uns funkt.« Er zögert. »Ich hab mich gefragt ... ob es dir ebenso ging.«
Das kann nicht wahr sein. Wie oft, wie oft habe ich davon geträumt, dass Guy genau das zu mir sagt? Wie oft habe ich mir ausgemalt, dass er mich genau so ansieht mit seinen tiefbraunen Augen? Aber jetzt, wo er‘s tatsächlich tut, ist es zu spät. Es passt nicht mehr.
»Samantha?«
Plötzlich wird mir klar, dass ich ihn wie ein Zombie angeglotzt habe.
»Oh. Ach so.« Ich gebe mir einen Ruck. »Ja ... kann sein. Vielleicht ging‘s mir mal ebenso.« Ich zupfe an meinem Rock herum. »Aber jetzt... jetzt habe ich jemanden kennen gelernt.«
»Den Gärtner«, sagt er trocken.
»Ja!« Ich blicke überrascht auf. »Woher weißt du -«
»Ein paar Journalisten draußen haben darüber geredet.«
»Oh. Naja, es stimmt. Er heißt Nathaniel.« Ich merke, wie ich rot werde. »Und ... er ist sehr nett.«
Guy hat die Stirn gerunzelt, als wüsste er nicht, was ich damit sagen will. »Aber das ist doch bloß ein Urlaubsflirt.«
»Das ist kein Urlaubsflirt!«, sage ich entsetzt. »Wir sind zusammen. Es ist uns ernst.«
»Ja, zieht er denn nach London?«
»Äh ... nein. Er hasst London. Aber es wird trotzdem irgendwie gehen.«
Guy schaut mich einen Moment lang ungläubig an, dann wirft er den Kopf zurück und bricht in schallendes Gelächter aus. »Du spinnst wirklich. Das glaubst du doch wohl selbst nicht.«
»Was soll das heißen?«, frage ich erbost. »Wir werden uns weiter sehen. Das klappt schon irgendwie. Wenn wir es nur beide wirklich wollen -«
»Ich glaube nicht, dass du dir über deine Situation im Klaren bist.« Guy schüttelt den Kopf. »Samantha, du gehst von hier weg. Du kehrst nach London zurück, zurück ins wirkliche Leben, zurück zur Arbeit. Glaub mir, du wirst wahrhaftig keine Zeit haben, irgendeinen Urlaubsflirt weiterzupflegen.«
»Das war kein Urlaubsflirt!«, brülle ich wütend, und in diesem Moment geht die
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