Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goettin in Gummistiefeln

Goettin in Gummistiefeln

Titel: Goettin in Gummistiefeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
du, wie warm und elastisch er unter deinen Händen wird?«
    Ich blicke den Teig in meinen Händen an, aber ich habe keine Ahnung, wovon sie redet. Meine Gedanken flitzen herum wie ein eingesperrtes Tierchen in einem Käfig.
    Ich beginne wieder zu kneten, härter, will erzwingen, was sie sagt. Will diesen inneren Frieden, der mir letztes Mal so gut getan hat, dieses Gefühl der Einfachheit, der Erdverbundenheit. Aber ich komme immer wieder aus dem Rhythmus, der Teig klebt an meinen Fingern. Ich fluche, meine Oberarme tun weh, ich schwitze, mir steht der Schweiß auf der Stirn. Und der Aufruhr in meinem Innern wird immer schlimmer.
    Wie können sie es wagen, mich einfach auszulöschen? Ich war eine gute Anwältin.
    Ich war eine verdammt gute Scheißanwältin.
    »Willst du kurz Pause machen?« Iris tritt neben mich und berührt meine Schulter. »Es ist ganz schön anstrengend, wenn man‘s nicht gewöhnt ist.«
    »Wozu?!« Die Worte rutschen mir heraus, ohne dass ich etwas dagegen tun kann. »Ich meine, wozu das alles? Brot backen. Man bäckt es und man isst es. Und das war‘s.«
    Abrupt breche ich ab. Ich bin entsetzt, weiß nicht, was plötzlich in mich gefahren ist. Ich atme schwer. Nein, ich fühle mich alles andere als auf der Höhe.
    Iris mustert mich prüfend. »Das könnte man in Bezug auf jedes Lebensmittel sagen«, meint sie sanft. »Oder aufs Leben.«
    »Genau.« Ich wische mir mit der Schürze die Stirn ab. »Ganz genau.«
    Ich weiß nicht, was ich sage. Warum versuche ich mich mit Iris anzulegen? Ich muss mich beruhigen. Aber ich fühle, wie es in mir rumort und brodelt.
    »Ich glaube, du kannst jetzt aufhören, das sollte reichen«, sagt sie, nimmt mir den Teig aus der Hand und formt ihn mit wenigen geschickten Bewegungen zu einer Halbkugel.
    »Und was kommt jetzt?«, sage ich, um einen etwas ruhigeren Ton bemüht. »Soll ich ihn in den Ofen stecken?«
    »Noch nicht.« Iris legt den Teig in die Rührschüssel zurück und stellt ihn auf den Herd. »Jetzt wird gewartet.«
    »Gewartet?«, wiederhole ich. »Was meinst du?«
    »Wir warten.« Sie deckt die Schüssel mit einem sauberen Geschirrtuch zu. »Eine halbe Stunde sollte reichen. Ich mache uns eine Tasse Tee.«
    »Aber ... worauf warten wir?«
    »Darauf, dass der Teig aufgeht, dass die Hefe ihr Wunder wirkt.« Sie lächelt. »Unter diesem Geschirrtuch findet in diesem Moment ein kleines Wunder statt.«
    Ich starre die Schüssel an, versuche mir das Wunderbare vorzustellen, aber es klappt nicht. Ich fühle mich weder ruhig noch irgendwie gelassen. Ich bin so angespannt, ich könnte schreien. Früher hatte ich meine Zeit auf die Minute, ja auf die Sekunde unter Kontrolle. Und jetzt soll ich darauf warten, dass so eine blöde Hefe Wunder wirkt? Ich soll hier stehen, in der doofen Schürze und auf... auf eine Art Pilz warten?
    »Tut mir Leid, ich kann nicht«, höre ich mich sagen. Und renne in den Garten hinaus.
    »Was?« Iris kommt hinter mir hergelaufen, die Hände an ihrer Schürze abwischend. »Herzchen, was ist los?«
    »Ich kann nicht!« Ich wirble herum. »Ich kann nicht einfach ... so rumsitzen und darauf warten, dass irgendeine Hefe irgendwas bewirkt.«
    »Warum nicht?«
    »Weil es eine verfluchte Zeitverschwendung ist!« Ich fasse mir mit den Händen an den Kopf. »Eine solche Zeitverschwendung! Alles!«
    »Und was sollten wir deiner Meinung nach stattdessen tun?«, fragt sie mich interessiert.
    »Irgendwas ... Wichtiges. Okay?« Ich gehe unruhig zum Apfelbaum und wieder zurück, tigere aufgebracht im Garten auf und ab. Ich kann einfach nicht stillhalten. »Irgendwas Konstruktives.«
    »Was wäre konstruktiver als Brot zu backen?«
    O Gott. Ich könnte jetzt wirklich schreien. Sie hat gut reden, mit ihren Hühnern, ihrer Schürze, ihrer kleinen Welt. Sie ist kein Internetwitz. Kein Nichts.
    »Du verstehst überhaupt nichts«, sage ich, den Tränen nahe. »Tut mir Leid, aber so ist es. Weißt du ... ich gehe jetzt besser.«
    »Bitte geh nicht«, sagt Iris erstaunlich fest. Im nächsten Moment steht sie vor mir, legt mir die Hände auf die Schultern und blickt mich mit ihren leuchtend blauen Augen forschend an.
    »Samantha, du hast ein Trauma durchlitten«, sagt sie ruhig und freundlich. »Und das hat dich tief getroffen -«
    »Ich habe kein Trauma erlitten!« Ich wirble herum, reiße mich von ihr los. »Ich ... ich kann das einfach nicht, Iris. Ich kann nicht so tun, als ob. Ich bin keine Brotbäckerin, okay? Ich bin keine Küchenfee.« Verzweifelt

Weitere Kostenlose Bücher