Goettin in Gummistiefeln
schaue ich mich im Garten um, als könnte er mir einen Tipp geben. »Ich weiß nicht mehr, wer ich bin. Ich habe keine Ahnung.«
Eine einzelne Träne kullert mir die Wange hinunter und ich wische sie zornig weg. Ich werde nicht vor Iris heulen.
»Ich weiß nicht mehr, wer ich bin.« Ich versuche ruhig auszuatmen. »Oder was ich will... oder wo es hingehen soll. Oder irgendwas.«
Auf einmal verlässt mich die ganze Kraft, die ganze Wut, und ich lasse mich ins Gras sinken. Iris setzt sich nach kurzem Zögern neben mich.
»Das macht nichts«, sagt sie sanft. »Du solltest dich nicht mit Selbstvorwürfen quälen, nur weil du nicht alle Antworten kennst. Man muss nicht immer wissen, wer man ist. Man muss nicht immer die großen Zusammenhänge erkennen können oder wissen, wo es mit einem hingeht. Manchmal genügt es zu wissen, was man als Nächstes tun will.«
Eine Weile sagt niemand von uns etwas. Ich lasse mir ihre Worte durch den Kopf gehen. »Und was tun wir als Nächstes?«, frage ich schließlich mit einem resignierten Achselzucken.
»Du wirst mir helfen, die Bohnen fürs Mittagessen zuzubereiten.« Sie sagt das so trocken, dass ich unwillkürlich ein wenig lächeln muss.
Brav folge ich Iris ins Haus, nehme eine Riesenschüssel Saubohnen entgegen und beginne nach ihren Anweisungen mit dem Aufbrechen der Schoten. Schoten in den Korb, neue Bohnen ins Becken. Wieder und wieder.
Die Arbeit macht mich ein wenig ruhiger. Ich wusste nicht einmal, dass man dicke Bohnen erst aus Schoten lösen muss.
Ehrlich gesagt, bestand meine einzige Erfahrung mit dicken Bohnen bisher darin, ein Plastikpäckchen im Supermarkt mitzunehmen, in meinen Kühlschrank zu legen und nach Ablauf des Verfallsdatums wieder wegzuwerfen.
Aber das hier, das ist die wahre, die echte Erfahrung. So sehen sie aus, wenn man sie gerade aus der Erde gegraben hat. Oder ... vom Busch gepflückt. Oder so.
Jedes Mal, wenn ich eine Schote aufbreche, ist es, als würde ich auf eine Reihe blassgrüner Perlen stoßen. Und wenn ich eine davon in den Mund nehme, dann -
Oh. Okay. Sie müssen erst gekocht werden.
Würg.
Als ich mit den Bohnen fertig bin, kneten wir den Brotteig noch mal durch. Wir formen ein paar Brotlaibe daraus, legen sie in Backformen und warten dann noch einmal eine halbe Stunde, dass sie aufgehen. Doch diesmal macht es mir aus irgendeinem Grunde nichts mehr aus. Ich sitze mit Iris am Tisch, putze Erdbeeren und höre Radio, bis es Zeit ist, die Brote in den Ofen zu schieben. Dann richtet Iris ein Tablett mit Käse, Bohnensalat, Crackern und Erdbeeren her. Wir nehmen es mit nach draußen und setzen uns an einen Tisch im Schatten eines Baumes.
»So«, sagt sie und schenkt mir aus einem Glaskrug mit wunderschönen Blaseneinschlüssen Eistee ein. »Besser?«
»Ja. Danke«, sage ich verlegen. »Tut mir Leid, das mit vorher. Ich war nur ...«
»Samantha, das macht doch nichts.« Sie schneidet gerade den Käse auf und wirft mir einen kurzen Blick zu. »Du musst dich nicht entschuldigen.«
»Doch, schon.« Ich hole tief Luft. »Ich bin dir wirklich dankbar, Iris. Du ... du bist so nett ... und Nathaniel ...«
»Hab gehört, dass er mit dir im Pub war.«
»Es war einfach toll!«, sage ich begeistert. »Es ist ein wundervolles Pub - und zudem gehört es euch!«
Iris nickt. »Diese Gaststätten werden schon seit Generationen von Blewetts geführt.« Sie setzt sich und gibt uns beiden Bohnensalat in Olivenölmarinade und frischen Kräutern auf den Teller. Ich probiere eine Gabel voll - und es schmeckt absolut himmlisch.
»Muss schwer gewesen sein, als dein Mann starb«, wage ich mich ein Schrittchen vor.
»Mein Leben war ein einziger Trümmerhaufen.« Iris sagt es ganz sachlich. Ein Huhn nähert sich unserem Tisch, und Iris scheucht es weg. »Finanzielle Probleme. Gesundheitlich ging es mir auch nicht gut. Wenn Nathaniel nicht gewesen wäre, dann hätten wir die Pubs verloren. Er hat dafür gesorgt, dass alles wieder ins Lot kam. Weil sein Vater sich das gewünscht hätte.« Ihre Augen glänzen ein wenig, und sie zögert, die Gabel auf halbem Weg zum Mund. »Man kann nie sagen, wie die Dinge ausgehen, egal wie sehr man auch zu planen versucht. Aber das weißt du ja bereits.«
»Ich habe immer gedacht, mein Leben würde einen ganz bestimmten Weg nehmen«, sage ich, den Blick auf meinen Teiler gesenkt. »Ich hatte mir alles so schön zurechtgelegt.«
»Aber dann ist es ganz anders gekommen, nicht?«
Einige Augenblicke lang kann ich nicht
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