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Goettin in Gummistiefeln

Goettin in Gummistiefeln

Titel: Goettin in Gummistiefeln Kostenlos Bücher Online Lesen
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antworten. Ich muss an den Moment denken, als ich erfuhr, dass ich Seniorpartnerin werden würde. An die unbändige, ungetrübte Freude. Als ich glaubte, endlich erreicht zu haben, was ich mir immer gewünscht hatte. Als ich meinte, jetzt sei mein Leben perfekt.
    »Ja«, versuche ich so ruhig wie möglich zu sagen. »Dann ist es ganz anders gekommen.«
    Iris blickt mich mit so klaren, mitfühlenden Augen an, dass ich beinahe glaube, sie weiß, was ich denke.
    »Sei nicht zu hart mit dir, Herzchen«, sagt sie. »Wir alle kommen mal ins Straucheln.«
    Aber das kann ich mir bei Iris überhaupt nicht vorstellen. Sie ist immer so ruhig, so gefasst.
    »O doch, und wie ich gestrauchelt bin«, sagt sie, meinen Gesichtsausdruck korrekt interpretierend. »Nach Benjamins Tod. Es kam so plötzlich. Alles, was ich hatte, war plötzlich weg. Einfach so. Von einem Tag auf den anderen.«
    »Und was ... was hast du ...« Ich breite hilflos die Hände aus.
    »Ich habe einen anderen Weg gefunden. Aber es hat Zeit gebraucht.« Sie hält einen Moment lang meinen Blick fest, dann schaut sie auf die Uhr. »Apropos Zeit, ich mache uns einen Kaffee. Und sehe mal nach, wie weit das Brot ist.«
    Ich stehe auf, um ihr zu helfen, doch sie drückt mich wieder auf meinen Sitz zurück.
    »Nichts da. Bleib sitzen und ruh dich aus.«
    Ich sitze im gesprenkelten Sonnenlicht unter dem Baum, nippe meinen Eistee und versuche mich auszuruhen. Versuche die Stille und Schönheit des Gartens zu genießen. Aber meine Emotionen flitzen noch immer umher wie ein nervöser Fischschwarm.
    Ein anderer Weg.
    Ich weiß keinen anderen Weg. Ich weiß nicht, was ich tue. Ich weiß nicht, wo das alles hinfuhren soll. Ich habe das Gefühl, im Dunkeln zu stehen und mich Schritt für Schritt vorantasten zu müssen. Und alles, was ich weiß, ist, dass ich nicht mehr in mein altes Leben zurückkehren kann.
    Ich kneife fest die Augen zu und versuche einen klaren Gedanken zu fassen. Ich hätte mir diese Website nie ansehen dürfen. Ich hätte nie diese Kommentare lesen dürfen. Jetzt ist auf einmal alles anders.
    »Streck die Arme vor, Samantha«, ertönt Iris‘ Stimme plötzlich hinter mir. »Lass die Augen zu. Komm.«
    Ich habe keine Ahnung, was sie vorhat, aber ich schließe meine Augen und strecke meine Arme vor. Im nächsten Moment fühle ich, wie etwas Warmes, Schweres hineingelegt wird. In meine Nase steigt ein hefeartiger Duft. Ich mache die Augen auf und sehe, dass ich einen Laib Brot in den Armen halte.
    Fassungslos starre ich ihn an. Es sieht wie richtiges Brot aus. Echtes, richtiges Brot, so wie vom Bäcker. Dick und plump und goldbraun, mit einer knusprigen, rissigen Kruste. Es riecht einfach himmlisch, und ich merke, wie mir das Wasser im Mund zusammenläuft.
    »Sag nicht, dass das nichts ist«, sagt Iris und drückt meinen Arm. »Du hast das gemacht, Schätzchen. Und du solltest stolz auf dich sein.«
    Ich kann nichts sagen. Mit einem Kloß im Hals halte ich mich an dem Brot fest. Ich habe dieses Brot gebacken. Ich habe es gemacht, ich, Samantha Sweeting, die nicht mal eine Fertigsuppe in der Mikrowelle aufwärmen konnte. Die sieben Jahre ihres Lebens gegeben hat und nun mit nichts dasteht, die ganze Existenz, einfach ausradiert. Die nicht mehr weiß, wer sie ist.
    Ich habe einen Laib Brot gebacken. Im Moment habe ich das Gefühl, dass dies das Einzige ist, woran ich mich festhalten kann.
    Zu meinem Schrecken rinnen mir plötzlich Tränen übers Gesicht. Das ist doch lächerlich. Ich muss mich zusammenreißen.
    »Sieht lecker aus«, ertönt auf einmal Nathaniels ruhige Stimme hinter meinem Rücken, und ich fahre erschrocken zu ihm herum. Er steht neben Iris und seine Haare leuchten in der Sonne.
    »Hallo«, sage ich verlegen. »Ich dachte du ... reparierst ein Rohr oder so was.«
    »Tue ich auch.« Er nickt. »Wollte nur kurz vorbeischauen.«
    »Ich gehe und hole die anderen Brotlaibe aus dem Rohr«, sagt Iris, tätschelt kurz meine Schulter und ist auch schon verschwunden.
    Ich stehe auf und starre Nathaniel über das Brot in meinen Armen an. Allein sein Anblick löst alle möglichen Gefühle in mir aus: mehr Fische, die in meinem Kopf, in meinem Körper herumflitzen.
    Obwohl, ich glaube, die Art von Fischen kenne ich.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragt er mit einem Blick auf meine Tränen.
    »Es geht mir gut. Es ist bloß ... einer von diesen komischen Tagen.« Ich wische die Tränen beschämt weg. »Normalerweise kriege ich keine Gefühlsausbrüche, wenn

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