Goettinnensturz
Dicke fuhr nachdenklich mit seinem Daumennagel eine Rille in der Tischplatte nach. »Vielleicht Monikas neuer Freund, der Bernd. Er ist daneben gestanden, als die Astrid ausgezuckt ist. Ein langer, dünner Kerl, mit wenig Haaren, schütter halt. Er hat immer ein rot kariertes Hemd an, immer. Aus seiner eigenen Schneiderei. Lächerlich, oder?« Neugierig blickte er Jonas an, bis dieser nickte.
»Ich weiß nicht, was die Moni an dem gefunden hat. Na ja. Bernd hat sich sehr bemüht, den Streit zu schlichten. Mit seiner hohen Stimme hat ihm niemand zugehört, am wenigsten die Astrid und die Moni selbst.«
»Verstehe. Haben Sie Bernds vollen Namen? Und die Adresse?«
»Ein Trachtenschneider, in Bad Aussee. Flatscher mit Familiennamen. Das Geschäft finden’s sicher, ist gleich im Zentrum. Da kaufen alle, selbst die Prominenz. Ist sehr bekannt. Genaue Adresse weiß ich leider nicht.«
»Verstehe, das wird zu finden sein.« Jonas notierte eifrig mit seiner steilen Handschrift, die allerdings für jeden außer ihn selbst unleserlich war. »Haben Sie noch eine Idee, wer etwas gegen Monika gehabt haben könnte, Herr Linsinger?«
Der Dicke wiegte den Kopf. »Da gäb’s viele. Ihr Männerverbrauch … Ich will ja nichts Böses sagen, über Tote, Sie wissen schon. Ihr letzter ehemaliger Verlobter ist am Abend im Zelt ziemlich oft um sie herumgeschlichen. Er hat ein böses Gesicht dabei gemacht, da hätt’ Ihnen anders werden können, Herr Inspektor. Selbst Ihnen, ich bin sicher. War noch nicht lang her, dass die Moni die Verlobung gelöst hat. Und er soll sehr eifersüchtig sein.« Der Dicke nickte bekräftigend und blickte Jonas an, als würde er gern gelobt werden wollen. Ein Musterschüler …
»Hat dieser Exverlobte die Monika angesprochen?«
»Das weiß ich leider nicht. Wie gesagt, ich war nicht allzu lange bei dem Fest.«
»Verstehe. Und wie lautet der Name des früheren Verlobten, kennen Sie den?« Doch nicht ganz der höfliche Kieberer, nicht immer.
»Kurt Klampfl, ihm gehört ein Busunternehmen in Sankt Wolfgang drüben.«
»Und die Prinzessin Astrid, wo finden wir die denn bitte?«
Linsinger zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Soll irgendwo aus der weiteren Umgebung stammen. Das Narzissenfest-Büro wird Ihnen da sicher Auskunft geben können.«
Jonas machte sich eine Notiz. »Danke, hoffen wir’s. Jetzt geben’s mir bitte noch Ihre eigene Anschrift, und wenn Ihnen sonst nix einfällt, war’s das. Dann können Sie gehen.«
»Döblinger Hauptstraße 100«, sagte der Dicke wie aus der Pistole geschossen. »Habe die Ehre!«
Und weg war er.
Berenike schlürfte den lauwarmen Tee. Besser als gar nix, richtig warm wurde ihr davon leider nicht. »Komisch, dass der Bernd eine neue Freundin hat, das hab ich gar nicht mitbekommen. Dabei ist er manchmal bei mir im Salon zu Besuch.«
»Vielleicht war die Beziehung noch dermaßen neu«, meinte Ellen.
»So neu, dass sie’s nicht zeigen wollten?«
»Wenn ja – warum?«
»Eifersucht?«
»Wegen ihrem Ex, dem Kurt?«
»Oder hat der Bernd eine Exfrau?«
»Das ist lange her. Vielleicht war die Sache schon nicht mehr aktuell.«
»War die Monika dermaßen wechselhaft?«
»Anscheinend.«
»Wir müssen alle befragen, die in dem Festzelt waren«, seufzte Jonas. »Allen voran den Exverlobten Kurt.«
»Na, viel Spaß. In das Zelt passen mehrere Tausend Leut rein.« Ellen griff nach ihrer Teetasse, setzte sie an, doch die war leer. »Also, gehen wir, oder?«
»Zahlen müssen wir noch.«
»Natürlich.«
4
»Ein Albtraum, diese Befragungen«, stöhnte Jonas am nächsten Morgen während der Frühstücksvorbereitungen in Berenikes Küche. Unter ihnen hörte man Frau Gasperl rumoren, in deren Ausseer Holzhaus Berenike vor fast fünf Jahren ein neues Zuhause gefunden hatte. Fünf Jahre seit ihrer großen Krise, seit der Flucht aus Wien und dem Neubeginn im steirischen Salzkammergut. Fünf Jahre – ein Jubiläum. Und 40 wurde sie auch ziemlich bald, oh Schreck.
Am Vortag war sie heimgefahren, hatte aufgeräumt, Jonas war spät zu ihr gekommen. Es war schon lange dunkel gewesen und sie hatte mit allen drei Katzen kuschelnd auf dem Sofa gewartet. Jetzt war Jonas noch unrasiert, wenigstens hatte er halbwegs Schlaf abbekommen, und die dunklen Ringe um die Augen waren nicht mehr ganz so dunkel. Er raufte sich die schwarzen Haare und setzte sich, während sie Teeblätter abmaß und Wasser aufgoss. English Breakfast, schön stark, das brauchten sie beide.
»Das
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