Goettinnensturz
auf, Helena tat es ihr gleich. Die Runde löste sich auf.
»Ja, meine lieben Freunde, dann wollen wir diese Séance beenden«, sagte Sylvie und räusperte sich. »Ich danke euch und ich danke ganz besonders Monika und Bernd … für den Hinweis auf die Farbe Schwarz. Wir werden ihn zu interpretieren suchen.«
Schwarz, überlegte Berenike und dimmte das Licht ein wenig herunter. Vielleicht hieß der Täter mit Nachnamen Schwarz. Oder es ging um jemanden mit schwarzen Haaren, dunkler Haut gar. Oder ein Afrikaner, der etwas gegen Faschisten und Ausländerfeinde hatte. Die ermordete Monika war ein wenig zu sehr den Rechten nahegestanden, wie Berenike leider zu gut wusste. Mit ein Grund, warum sie sich provoziert gefühlt hatte. Dabei hatte Berenike nur gewollt, dass der Nazi-Klement nicht als Ehrengast zum Narzissenfest geladen wurde. Vielleicht war mit dem angeblichen Hinweis schwarze Kleidung gemeint. Franziska trug gern schwarz. Und wer war nur der Sprecher zum Schluss gewesen? Sie konnte die Stimme keinem Namen zuordnen.
Während sie nachdachte, leitete Sylvie bereits launig zur Lesung aus ihrem Buch über. »Man braucht nicht unbedingt das Jenseits zu befragen, um einen netten Kerl zu finden – aber es hilft«, sagte sie mit veränderter, lieblicher Stimme. Ihre Wangen waren rosig. Kichern im Raum, die Leute entspannten sich. Sylvies Vortrag war gut, ihre Stimme trug und entgegen ihrer Erwartung musste Berenike an einigen Stellen herzlich lachen. Dass der Geist eines verstorbenen Mannes eifersüchtig sein konnte wie in der Geschichte, war schon komisch, aber dass er seiner früheren Partnerin in jede neue Beziehung hineinfunkte …
Nach der Lesung standen die Gäste entspannt herum. Einige kauften das Buch, ließen es sich von Sylvie signieren. Die Stimmung war gut, trotz der Geisterbeschwörung und ihrer seltsamen Antworten, der Unruhe. Berenike spitzte die Ohren, Sylvies unbekannter Kritiker schien verschwunden zu sein, zumindest hörte sie die Bassstimme nicht mehr. Merkwürdig, sie war doch neben der Tür hinten gestanden – wenn jemand den Salon verlassen hatte, hätte sie es merken müssen.
Berenike mischte sich unter die Gäste, machte Small Talk, sah beim Buffet nach dem Rechten. Zumindest piesackte sie der Kreuzschmerz nicht allzu sehr. Die gute Laune tat das Ihrige, dass sie sich wohler fühlte. Die Leute lachten und unterhielten sich, Sylvie wirkte gelöst, nur Stefan war nicht zu sehen.
»Auch wenn wir uns für unsere neuen Wege noch rechtfertigen müssen«, sagte Sylvie gerade und griff nach einem Glas Sekt, »ich bin überzeugt davon, dass es auf die alte Art nicht weitergeht.«
»Nein, das tut es sicher nicht«, bestätigte der braun gebrannte Sepp, der eine Schachtel, die er immer statt einer Tasche dabei hatte, umklammerte. Einige Autorenkollegen umringten Sylvie, darunter Serafina und Alma.
»Die Menschen müssen aufwachen«, erklang Almas Stimme.
»Unbedingt.« Sepp hustete. »Wenn sie weiter tun wie bisher, werden sie nie vorankommen.«
»Franziska tut mir leid«, murmelte Sylvie mit einem Seitenblick auf die junge Frau, die allein in der Nähe der Tür stand. »Sie hat das noch nicht verstanden … Wie sie herumstreicht, immer darauf hoffend, dass jemand sie wahrnimmt, sie lobt. Nein, man muss den eigenen Weg gehen. Und dabei bleiben.«
»Sylvie?« Die sonore Stimme. Berenike fuhr herum und bemerkte einen kräftigen Mann um die 30, der Sylvie aus zornigen Augen anstarrte. Er musste gerade erst zu dem Grüppchen getreten sein. »Muss das sein, wie du alles in den Dreck ziehst?«
»Paul, was redest du denn?«, fuhr Sepp ihn an, »was soll das? Willst du Sylvie den Abend zerstören?«
Das war also Paul! Quasi-Chef des Narzissenfest-Vereins. Er stand da, mit angespannten Muskeln, die Kiefer mahlten. Sah aus, als würde er sehr unter Druck stehen. Vielleicht, weil die Firma seines Arbeitgebers kriselte. Berenike hatte gehört, dass Paul in einer großen Werbeagentur arbeitete – die zufällig Geschäftspartner von Klement war, dem alten Nazi.
»Was hast du?«, fragte Sylvie unerwartet freundlich. »Mein Buch ist Fiktion, alles erfunden.«
»Trotzdem, wir haben schon live genug Tote.«
»Geh, Paul, mach dir keinen Kopf«, fiel Sepp begütigend ein. »Die Leut werden trotzdem auf Urlaub herkommen und zum Narzissenfest sowieso. Zu dem kommen sie immer.«
»Sie schadet unserem Image«, blieb Paul stur.
»Es ist nur eine Geschichte, weiter nichts. Eine Lovestory«, grinste
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