Goettinnensturz
war glücklich mit ihr! So verliebt waren die zwei.«
»Ich hab dagegen gehört, die Beziehung wäre nicht ideal gelaufen.«
»Aber gehn’S. Das sagen die, die den Herrn Bernd nicht bekommen haben. Die selbst kein solches Glück in der Liebe haben. Nur weil der Herr Bernd ein bisschen eifersüchtig war …«
»War er das?«
Die Verkäuferin wand sich. »Nein, so schlimm wars nicht.«
»Und hatte er Grund dazu?«
»Also, ich weiß nicht. Die Frau Monika hatte sich schon sehr schnell mit dem Herrn Bernd getröstet, nachdem sie sich von dem Busunternehmer getrennt hat. Also der Herr Bernd war da ein bisserl unsicher, das hat man ihm manchmal angemerkt, wenn er die Monika angeschaut hat und geglaubt hat, sie bemerkt das nicht. Die beiden haben sich im Zuge der Vorbereitungen fürs heurige Narzissenfest kennengelernt.« Sie stapelte langsam einen Stoffballen nach dem anderen aufeinander, bei einem mit schwarz bedruckter Baumwolle hielt sie inne, rieb den Stoff zwischen den Fingern. »Das hier würde gut zu Ihrem dunklen Teint passen!«
»Hm, ich weiß nicht, Schwarz im Hochsommer?«
»Wie Sie meinen.« Der schwarze Stoffballen wanderte zur Seite. »Wir waren alle stolz darauf, dass wir heuer die Narzissenkönigin und ihre Prinzessinnen ausstatten sollten. Der Herr Bernd hat schon ganz bestimmte Ideen gehabt, was er für die Damen schneidern wollte. Traditionell und trotzdem modern. In den Ausseer Farben natürlich.« Die Verkäuferin sah abrupt von ihren Stoffen auf, packte das Zentimetermaß, das sie um den Hals hängen hatte, spielte mit fahrigen Fingern daran.
»Also gab es kein wirtschaftliches Motiv für den Mord? Keine Rivalitäten?«
»Nicht unter den alt eingesessenen Schneidereien. Natürlich gibt’s welche, die haben weniger Kundschaft. Es kommen viele Urlauber und kaufen Tracht. Immerhin gibt’s nicht alle schon so lange wie uns. Die Großeltern vom Herrn Bernd, die hätten ja fast den Hitler bedient.«
»Wie bitte?«
»Wenn der tatsächlich ins Ausseerland gekommen wäre. Das war dann nicht mehr der Fall. Na, lange her. Komisch, dass wir jetzt darüber reden. Erst neulich ist hier eine junge Frau reingestürmt und hat Fragen gestellt. Nach damals. Weil das Geschäft angeblich früher Juden gehört hat. Sie hat geschimpft auf die immer gleichen Trachten, die sich seit den Nazis nicht mehr verändert hätten. Als Nazis hat sie uns beschimpft. Nur weil die Großeltern vom Herrn Bernd das Geschäft 1938 übernommen haben.«
»Wurde es denn arisiert, das Geschäft?«
»Was weiß ich. Ich bitt’ Sie, das alles ist 20 Jahre vor meiner Geburt passiert. Woher soll ich das wissen? Deswegen tötet man nicht, nicht nach all dieser Zeit, oder?«
Berenike zuckte die Achseln. »Das kann man nie wissen.«
»Wieso fragen Sie überhaupt so komisch?« Die Grauhaarige kniff die dünnen Brauen zusammen. »Sie wollen gar kein Dirndl! Jetzt weiß ich’s! Sie sind von der Presse! Sie schamlose Person! Ihr wollt alle den Herrn Bernd verleumden! Raus hier!«
»Nein, ich bin …«
»Nix. Gehen Sie!«
Berenike hob die Hände, öffnete die Tür, trat hinaus. Die Verkäuferin kam ihr nach, drückte die Tür von innen fest ins Schloss.
Draußen erreichte die untergehende Märzsonne nur mehr die Spitzen der Dächer. Im Schatten war es kalt. Berenike schlug den Mantelkragen hoch.
*
Sie eilte an den Geschäften in der Ischler Straße vorbei, die bereits zum Großteil im Schatten lag. Bald war Feierabend, an der Trafik wurden die Ständer mit den Ansichtskarten hineingerollt. Berenike wunderte sich, dass überhaupt noch wer Karten kaufte und schrieb, wo jeder mit dem Handy ein Foto schießen konnte, sogar mit sich selbst drauf, und dieses dann an die Lieben daheim senden konnte, fast ohne Kosten, in Echtzeit. Nur die Uroma, die keinen Internetanschluss hat, hat’s damit schwer. Wenn daran überhaupt noch jemand denkt …
Letzte Sonnenstrahlen beleuchteten den Turm der Pfarrkirche, tauchten die Fassaden in goldenes Licht. An der Bushaltestelle wartete eine Gruppe Jugendlicher, zwei ältere Leute verließen das Postamt und überquerten die Straße. Berenike atmete tief durch und versuchte zu rekapitulieren, was sie jetzt eigentlich erfahren hatte. Immerhin, durch den Rauswurf hatte sie sich den Kauf eines Dirndls gespart!
Sie dachte an die neuen Informationen. Was für amouröse Verwicklungen überall! Wie bei dem Filmtitel: Auf der Alm, da gibt’s ka Sünd. Gut, es war Frühling, aber dass die Hormone dermaßen
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