Goettinnensturz
mit dem Geruch von verschüttetem Bier, Rauchschwaden. Sie durchquerte den Vorraum. Das Stimmendurcheinander wurde lauter, je näher sie dem Schankraum kam. Noch eine Schwingtür, und sie stand in einem mit dunklem Holz möblierten Raum, dessen gepflegte Einrichtung schon Jahre oder Jahrzehnte auf dem Buckel hatte. Auf den schweren Tischplatten lagen kleine, rot karierte Deckchen, darauf standen Vasen mit Frühlingsblumen. Löwenzahn, Veilchen. Von der Decke baumelten Lüster, die die Form von Hirschgeweihen hatten. Altmodisch und doch stilvoll. Nur die Vorhänge sollte man austauschen, verstaubt und grau wie sie waren.
Breitschultrig stand Max hinter seiner Bar und zapfte Bier. Natürlich steirisches. »Ah, Berenike! Grüß dich!«, rief er ihr dröhnend zu.
»Servus Max!«
»Und Franzi! Zwei unwiderstehliche Frauen in meinen unwürdigen Hallen!« Er lachte fröhlich.
Berenike fuhr überrascht herum, bemerkte erst jetzt, dass hinter ihr noch jemand eingetreten war. »Oh, Franziska, hallo. Ich habe dich nicht bemerkt, bist du grad gekommen?«, sagte sie überflüssigerweise.
Die junge Frau nickte. Sie war ganz in Schwarz, wie schon bei ihren früheren Aufeinandertreffen. An diesem Abend trug Franzi ein barock anmutendes Kleid mit weitem Ausschnitt und bauschigem, sehr kurzem Rock, unter dessen Saum schwarze Strapse hervorschauten. Dazu hatte sie geschnürte Stiefelchen à la Kaiserin Sisi angezogen.
»Was wollt ihr trinken?«, fragte Max und sah Berenike tief in die Augen.
Sie musste lächeln. Draufgänger! Ein charmanter allerdings. »Machst mir eins?« Sie deutete auf den Zapfhahn.
»A Halbe?«
»Natürlich. Was sonst?«
Max pfiff anerkennend. »So ist’s recht, Berenike.« Er stellte das volle Glas ab und griff nach einem frischen leeren. Ein paar Männer an der Bar sahen interessiert zu.
»Und du, Franzi?«
»Eine Melange, bitte.«
Berenike setzte sich auf einen Barhocker. Sie stellte sich vor, wie Max und Monika bei dem Zeltfest einander nähergekommen waren. Sie unterdrückte ein Grinsen. Max wusste wohl nicht, dass sie wusste … und er war wohl noch stolz drauf.
Die Tür zum Festsaal stand offen, Frauenstimmen erklangen. Nur ein oder zwei Bassstimmen mischten sich darunter. Irgendein Volkslied, Berenike hatte es schon mal gehört. Gar nicht so schlecht.
»Meine Güte, was für eine Katzenmusik!«, stöhnte Franzi, die sich auf der Theke abstützte. »Kann man die nicht ausschalten?«
»Geh, Franzi«, besänftigte Max wie ein lieber Onkel. »So, einen Moment, gleich bin ich bei euch, ich bring nur die Bestellungen rüber. Dann mach ich eure Getränke.« Er trug ein Tablett mit vollen Biergläsern nach nebenan. In dem Festsaal hatte Berenike selbst einmal beim Trachtenball, einem der Höhepunkte der Ausseer Faschingssaison, getanzt.
Max kehrte zurück und kickte die Tür hinter sich zu. Dabei warf er einen langen stummen Blick auf Franziskas Kehrseite und zog eine Braue hoch. Er trat hinter die Bar und warf die Kaffeemaschine an, schäumte Milch auf, goss sie auf den Kaffee, schob Franzi ihre Tasse zu. »Bitte schön.«
»Deine blöden Hirschgeweihe sind so was von out«, murrte die Schwarzgewandete statt eines Danks.
Max verdrehte die Augen. »Dein Bier kommt gleich, Berenike.«
»Schon recht«, nickte sie.
Franziska stellte ein Bein auf die Fußstütze vor sich und streckte dabei ihren Po ausladend nach hinten. Tatsächlich, sie trug Strapse. Jetzt sah man’s genau. Auch was darüber war – nämlich nichts, oder fast nichts. Außer der straffen Haut. Das musste man ihr lassen. Ein Raunen ging durch den Raum.
Ein Knall – ihr Bier. Berenike sah auf, lächelte.
»Wohl bekomm’s!«, sagte Max.
»Danke.«
Sein Gesicht war nah, sehr nah.
»Du, Max …« Sie hielt inne. »Vielleicht sollt ich was essen. Gibt’s Kasnocken?« Damit war das mit der schlanken Linie wohl gegessen. Egal. Dünn war sie lang genug gewesen, früher, als gestresste Businessfrau, doch deswegen nicht glücklicher. Zumindest hatten sich die Magenprobleme mittlerweile vertschüsst.
»Kannst du haben«, grinste Max und schaute ihr tief in die Augen. Er drehte sich um und rief ihre Bestellung durch eine Durchreiche in die Küche. Franziska rutschte von ihrem Sitz und ging Richtung Toilette.
»Gibt’s was Neues von deinem Jonas?«, fragte Max mit eigentümlicher Betonung und lehnte sich zu ihr. »Wie laufen die Ermittlungen?«
»Keine Ahnung. Du weißt ja, wie Polizisten sind. Sie halten sich lieber
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