Goettinnensturz
verrücktspielten? Monika hatte sich von Kurt getrennt, hatte etwas mit Bernd angefangen, hatte ein Techtelmechtel mit Max. Sylvie sollte ein Verhältnis haben – behauptete zumindest ihr Freund Stefan. Berenike beschlich eine böse Ahnung, dass der selbst etwas mit dem Verschwinden seiner Freundin zu tun hatte. Dieser Bademeister, der sich dermaßen cool vorkam – und sich irgendwie seltsam verhalten hatte bei Sylvies Buchvorstellung.
Wo war Sylvie nur? War die Neo-Chick-Lit-Autorin einfach nur abgetaucht? Vielleicht mit Stefans Wissen? Berenike dachte nach – oder gab es etwas, das Sylvie zum Untertauchen veranlasst hatte? War sie bedroht worden? Hatte sie tatsächlich eine Liebschaft?
Es sah alles nach einer durch Leidenschaft hervorgerufenen Mordserie aus. Musste man einen Eifersüchtigen festnageln – der mit Eifer sucht, was leiden schafft? Ziemlich viele Verdachtsmomente schienen auf Monikas ehemaligen Verlobten Kurt hinzuweisen. Er wäre nicht der Einzige, der das Ende einer Beziehung nicht verkraftete, der die Liebste für immer besitzen wollte – tot oder lebendig. Weil alles bleiben sollte, wie es war. Typisch mordende Männer …
Nur – was hatte Kurt mit Sylvie zu tun gehabt? Ein traditioneller Reiseveranstalter mit einer schrägen Autorin? Niemand hatte eine Verbindung zwischen den beiden erwähnt. Und wie seltsam, wenn ausgerechnet er sich eine Schießerei mit der Polizei geliefert hätte. Dann könnte er sein Reisebüro zusperren, für alle Zeit. Noch seltsamer: Wäre Kurt der Mörder, hätte er Monika und Bernd ebenfalls mit seinem Schießeisen töten können, statt mit ihren eigenen Kleidungsstücken. Ein Polizeipsychologe wüsste, was davon zu halten war. Sie musste mit Mara reden. Und dabei gleich beichten, was bei dem Zeltfest vorgefallen war. Aber auch dafür musste sie erst den Mut aufbringen.
Mit Schrecken fiel ihr etwas Anderes ein: Wenn tatsächlich Eifersucht als Motiv hinter den Taten steckte, wenn es wirklich um Monika ging, dann war Max genauso in Gefahr. Berenike sah auf die Uhr. Kurz vor sechs. Gerade richtig, um im ›Grünen Kakadu‹ zu Abend zu essen und dabei mit Max zu reden. Ihn aushorchen – und warnen.
Kurz entschlossen überquerte sie die Straße, eilte durch den düster daliegenden, einsamen Kurpark. Vorbei am Denkmal Erzherzog Johanns. Der Sand auf den Wegen roch feucht nach Kindheit und Spielplätzen und ein wenig nach Traurigkeit. Klumpenweise blieb er an ihren Schuhen kleben. In der Traun paddelten ein paar verwegene Enten und quakten laut.
Ein Streifenwagen fuhr außen am Park vorbei. Ihr kam der Gedanke, die Polizisten nach Jonas zu fragen. Oder ob Inspektor Kain aufgetaucht war. Nein, der Moment passte nicht.
Lieber eilte sie weiter. Autos mit bereits eingeschaltetem Abblendlicht passierten den Park. Etwas hinter ihr knackte, ein Zweig vielleicht, oder ein Vogel, der in der Dämmerung nach Würmern suchte. Berenike drehte sich um. Sie war die einzige Fußgängerin weit und breit. Vielleicht eine umherschleichende Katze, die nach Vögeln Ausschau hielt. Apropos Katzen, ihre drei warteten vermutlich schon auf das abendliche Futter. Das würde später Beschwerden geben …
Die weit voneinander entfernten Straßenlaternen flammten auf. Das war etwas am Landleben, woran sich Berenike erst hatte gewöhnen müssen, nachdem sie die Großstadt verlassen hatte. Es knackste hinter ihr. Sie fuhr herum – nichts außer einem Ast im Wind … Jetzt nur nicht paranoid werden!
Das China-Restaurant war seit Jahren geschlossen. Berenike passierte eine Trafik, ein weiteres Trachtengeschäft. Dabei dachte sie an das Gespräch in Bernds Werkstatt. Ob die Grauhaarige sie tatsächlich nur aus Angst vor der Presse aus dem Geschäft geworfen hatte? Sie hatte ihren Chef ein bisschen sehr verteidigt. Womöglich hegte sie mehr als mütterliche Gefühle für ihn. Kam vor … Amouröses war eben allüberall.
Berenike schüttelte den Kopf. Sie bekam diese vielen Fäden einfach nicht recht auseinandersortiert!
Endlich war sie beim Grünen Kakadu angelangt. Ein traditionelles Wirtshaus, das Gebäude selbst uralt. Rundherum alles finster, einsam. Die Geschäfte hatten geschlossen, jetzt gab’s keinen Grund mehr, zu Fuß unterwegs zu sein. Typisch Dorf. Dabei besaß Bad Aussee Stadtrecht … mit nicht einmal 5.000 Einwohnern. Haha.
Berenike hielt einen Moment inne, ehe sie zur Klinke griff und die Tür aufstieß. Im Vorraum waberte ihr Küchendunst entgegen, vermischt
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