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Göttlich verdammt - Angelini, J: Göttlich verdammt

Göttlich verdammt - Angelini, J: Göttlich verdammt

Titel: Göttlich verdammt - Angelini, J: Göttlich verdammt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Angelini
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rabenschwarz.
    Während sie zusah, wie das Schmutzwasser von ihren Schienbeinen und Knöcheln rann, dachte sie über die drei Schwestern und ihr niemals endendes Leid nach. Lucas hatte sie Furien genannt und der Name passte perfekt zu ihnen. Sie erinnerte sich vage daran, dass Hergie dieses Wort auch schon einmal erwähnt hatte. Aus irgendeinem Grund musste Helen an Rüstungen und Togen denken, aber sie war nicht sicher, ob diese Assoziation einen Sinn ergab.
    Sie nahm einen Bimsstein in die Hand und schrubbte sichden letzten Rest Schmutz vom Körper, bevor sie die Dusche abstellte. Dann blieb sie noch einen Moment im dampfgefüllten Badezimmer und trug eine duftende Lotion auf, um auch die allerletzten Spuren von Lucas zu tilgen. Als sie schließlich ins Bett fiel, immer noch in ein feuchtes Handtuch gehüllt, war die Sonne schon lange aufgegangen.
    Helen lief durch das trockene Land und bei jedem ihrer Schritte knisterte das tote Gras unter ihren Füßen. Kleine Staubwolken stiegen um ihre nackten Füße auf und klammerten sich an die Feuchtigkeit, die an ihren Beinen haftete. Sogar die Luft war voller Staub. Im Gestrüpp summten keine Insekten herum und es waren auch keine anderen Tiere zu sehen. Der Himmel war gleißend hell und strahlte in einem blechernen blauen Licht, obwohl die Sonne nicht schien. Es wehte auch kein Wind, und es standen keine Wolken am Himmel – es gab nur diese steinige, unfruchtbare Landschaft, so weit Helens Augen reichten. Ihr Gefühl sagte ihr, dass irgendwo in der Nähe ein Fluss sein musste, und so lief und lief und lief sie.
    Ein paar Stunden später wachte sie mit schweren Gliedern, Kopfschmerzen und schmutzigen Füßen auf. Sie ging unter die Dusche, wusch sich den nächtlichen Schmutz ab und streifte ein Sommerkleid über. Dann setzte sie sich an ihren Computer, um herauszufinden, was es mit den Furien auf sich hatte.
    Schon bei der ersten Webseite, die sie anklickte, lief ihr ein Schauer über den Rücken. Dort war ein altes Gefäß mit einer einfachen Strichzeichnung abgebildet. Es war eine perfekte Darstellung der drei widerwärtigen Gestalten, die sie seit Tagen quälten. Der Text unter der Abbildung beschrieb die schluchzenden Schwestern sehr genau, aber der Rest verwirrte sie. In der griechischen Mythologie gab es diese drei Erinnyen oder Furien, die Blut weinten, genau so, wie sie es immer taten, wenn Helen sie sah. Aber ihre Nachforschungen ergaben auch, dass es die Aufgabe der Furien war, Übeltäter zu verfolgen und zu bestrafen. Helen wusste natürlich, dass sie nicht perfekt war, aber sie hatte nie etwas wirklich Schlimmes getan und ganz sicher nichts, womit sie einen Besuch dieser drei Rächerinnen verdient hatte.
    Sie las weiter und erfuhr, dass die Furien zuerst in der Orestie aufgetaucht waren, einem Zyklus von Dramen des Aischylos. Nachdem sich Helen geschlagene zwei Stunden mit der vermutlich ersten – und blutigsten – Seifenoper der Geschichte befasst hatte, war ihr die Story halbwegs klar geworden.
    Im Grunde ging es darum, dass ein bedauernswerter Typ namens Orest gezwungen gewesen war, seine Mutter zu töten, weil sie seinen Vater Agamemnon umgebracht hatte. Aber die Mutter hatte den Vater nur getötet, weil der ihre Tochter beseitigt hatte, Orests geliebte Schwester Iphigenie. Um das Ganze noch komplizierter zu machen, hatte der Vater die Tochter nur getötet, weil die Götter dieses Opfer verlangt hatten, damit der Wind wehte, sodass die Griechen nach Troja segeln und den Trojanischen Krieg beginnen konnten. Das Gesetz der Gerechtigkeit hatte den armen Orest gezwungen, seine Mutter zu töten, was er auch tat, und wegen dieser Sünde verfolgten ihn die Furien über die halbe Erde, bis er fast verrückt geworden war. Die Ironie dabei war, dass er nie eine Wahl hatte. Schon von Anfang an war er verdammt, wenn er es tat, und verdammt, wenn er es nicht tat.
    Obwohl Helen die Tragödie um Orest verstanden hatte, kapierte sie immer noch nicht, was das Ganze mit ihr zu tun hatte. Die Furien wollten, dass sie Lucas umbrachte, so viel war klar, aber wenn sie es tat, würde dann sie verfolgt, weil sie gemordet hatte? Sie wurde die Überzeugung nicht los, dass die Furien keine Ahnung von Gerechtigkeit hatten, wenn sie erst verlangten, dass man einen Mord beging, und einen dann dafür bestraften. Es war ein Teufelskreis, aus dem es offenbar keinen Ausweg gab, und Helen wusste immer noch nicht, was ihn ausgelöst hatte. Die Furien waren einfach eines Tages in ihrem

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