Göttlich verdammt - Angelini, J: Göttlich verdammt
traditionelle Struktur gab. Wenn Cassandra etwas sagte, hörten alle zu – auch Castor. Und offenbar brauchte Cassandra auch nicht den Einfluss der Furien, um Helen zu verabscheuen. Wobei ihr auffiel …
»Ich sehe die Furien nicht!«, rief sie plötzlich laut aus.
»Das tut keiner von uns«, sagte Castor nachdenklich. Helen hörte den Ledersitz knarren, als er sich kurz zu ihnen umsah. »Darüber können wir uns später Gedanken machen. Jetzt braucht ihr beide erst mal Ruhe.«
Dem konnte sie nicht widersprechen, denn sie schaffte es wirklich kaum noch, die Augen offen zu halten. Kurz nachdem sie losgefahren waren, schlief sie bereits wie ein Baby.
Bei Sonnenuntergang wachte Helen in einem großen weißen Bett auf. Sie wackelte mit den Zehen. Als das gut klappte, stützte sie sich auf ihre Arme und setzte sich auf. Sie schwang die Beine ausdem Bett und stellte fest, dass sie ein fremdes Nachthemd anhatte und nichts darunter trug. Natürlich war ihr klar, dass sie gerade dem Tod ziemlich nahe gekommen war, aber ihr Schamgefühl ließ sie trotzdem erröten. Das Nachthemd war eigentlich eher ein Nachthemdchen, denn die Nachthemden, die Helen kannte, waren entschieden länger und weniger durchsichtig. Doch als sie die Füße auf den Boden stellte, war jedes Schamgefühl vergessen, und ihr Schrei lockte sofort eine helfende Hand herbei.
»Warte. Hier, halt dich an mir fest«, sagte Ariadne. »Wow, kaum zu fassen, wie schnell es bei dir heilt. Aber du solltest trotzdem noch liegen bleiben.«
Doch Helen blieb auf der Bettkante sitzen und holte tief Luft.
»Ich kann nicht«, sagte sie und sah verlegen zu Ariadne auf. Die warf einen Blick auf Helens zusammengepresste Knie und erkannte, wo das Problem lag.
»Badezimmer? Alles klar«, sagte sie nervös. »Ich werde dich tragen. Aber mach mich ja nicht nass.«
Helen musste lachen. Ariadne versuchte, diese peinliche Situation mit ihrem Humor erträglicher zu machen. Claire hätte genauso gehandelt. Helen war es trotzdem sehr unangenehm, aber mit ein paar weiteren Witzen würden sie es schon überstehen.
»Ist es dir recht, wenn ich mal nachsehe, was deine Heilung macht?«, fragte Ariadne höflich, als Helen wieder im Bett lag. »Ich muss dazu die Hände auf deinen Körper legen, aber natürlich nur, wenn du einverstanden bist.«
»Du hast mich gerade pinkeln sehen«, erwiderte Helen mit einem verlegenen Lächeln. »Also, ja, du darfst mich untersuchen. Aber warte – wird es wieder so wehtun?«
»Nein, gar nicht. Ich will ja nur mal gucken und keine neuen Zellen wachsen lassen. Das ist es, was richtig wehtut. Aber falls es dich tröstet – für mich ist es auch nicht gerade ein Picknick. Es ist echt anstrengend«, sagte Ariadne und drückte Helen zurück in die Kissen.
»Okay«, sagte Helen unsicher. Sie streckte sich aus und wartete auf die Schmerzen, mit denen sie trotz Ariadnes optimistischer Worte fest rechnete.
Ariadne legte die Hände auf Helens Rippen und konzentrierte sich. Helen spürte ein leichtes Vibrieren, aber es tat kein bisschen weh. Ein paar Augenblicke später nahm Ariadne die Hände weg und sah Helen an.
»Ich könnte mir keine bessere Patientin wünschen«, sagte sie mit einem strahlenden Lächeln. »Nachdem ich gesehen hatte, welche Verletzungen du und Lucas davongetragen habt, hatte ich meine Zweifel. Aber du machst dich echt prima.«
»Danke«, sagte Helen ernst. »Dafür, dass du mich geheilt und mir geholfen hast …«
»Und ich danke dir, dass du mich nicht vollgepinkelt hast.« Ariadne lachte so laut, dass eine wunderschöne, elfengleiche Frau Ende zwanzig den Kopf zur halb offenen Tür hereinstreckte.
»Für ein Krankenzimmer wird hier entschieden zu viel gelacht«, verkündete sie mit einem frechen Funkeln in ihren gelben Katzenaugen. Helen hatte die Frau auf Anhieb gern. Sie erinnerte sie irgendwie an Kate. Die Frau trug ganz viele klimpernde Armreife, und obwohl Helen es nicht sehen konnte, hörte es sich so an, als wären ihre Fußgelenke ebenso geschmückt.
»Helen, das ist meine Tante Pandora. Dora, dies ist …« Ariadnetrommelte mit den Fingerspitzen auf der Bettdecke herum. »… die berühmte Helen Hamilton!«
»Ta-tah«, machte Helen leise. Pandora setzte sich ans Fußende des Bettes.
»Eine Schönheit! Jetzt verstehe ich, wie sie Lucas die Unterhosen verdreht hat«, sagte sie mit einem frechen Grinsen.
»Nein! Das ist alles vorbei! Wir haben die Furien nicht mehr gehört, seit wir am Strand aufgewacht sind«,
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