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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cossery
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komischen Züge begeisterten die Mitgefangenen, von denen die meisten einen Hang zur Traurigkeit besaßen, der sich aus ihren Lebensumständen ergab. Selbst das Wachpersonal verlor seine sonst übliche Gehässigkeit und ließ eine gewisse Nachsicht walten. Der Gefängnisdirektor - ein leidenschaftlicher Bewunderer seiner Gedichte - unterhielt sich gern mit ihm; in seinem Arbeitszimmer empfing er ihn mit der einem Minister gebührenden Zuvorkommenheit. Auf diese Weise setzte Yeghen im Gefängnis das Leben fort, das er draußen führte. In einem Punkt ging es ihm sogar viel besser; er hatte keine Geldsorgen. Er hatte ein Bett, bekam zu essen, befand sich unter Häftlingen, von denen einer ungewöhnlicher war als der andere und die vor köstlichen Geschichten, deren Komik nichts zu wünschen übrig ließ, nur so sprühten. Freiheit war ein abstrakter Begriff und ein bürgerliches Vorurteil. Man hätte Yeghen niemals einreden können, er sei nicht frei. Auch über die Versorgung mit Drogen konnte er sich nicht beklagen. Diesseits der Gefängnismauern zirkulierte das Haschisch genauso frei wie in der Stadt; für Geld konnte man es sich auf tausenderlei Arten beschaffen.
    Sein Ruf als Dichter hatte ihm bei seinen Mitgefangenen, die weder lesen noch schreiben konnten, enormes Ansehen verschafft. Er war es, der - was für ein abscheuliches Simulakrum - die Häftlinge untereinander traute. Seine Häßlichkeit bewahrte ihn bei alledem vor einer echten Gefahr: Man hätte blind sein müssen, um mit ihm sexuell verkehren zu wollen. Glücklicherweise gab es im Gefängnis keine Blinden.
    Noch einmal wollte er dem Geheimnis dieses Gesichts auf die Spur kommen, das im Schatten verborgen blieb. Alles verschwamm vor seinen kurzsichtigen Augen. Sollte er die Lampe wegstellen ? Der Lichtkegel schuf zwischen ihnen so etwas wie eine undurchdringbare Wüste. Er rutschte auf seinem Stuhl hin und her und wimmerte wie ein krankes Kind. Auf der anderen Seite des Tisches bewegte sich nichts; sie zuckte noch nicht einmal.
    »Mutter!« entfuhr es ihm beinahe unwillkürlich.
    Sie blieb stumm, als könne dieser Ruf - der eher einem Schrei glich - sie in dieser Welt des Leidens und der Resignation, in der sie versunken war, nicht erreichen. Sie war immer noch mit dem Flicken des Hemdes beschäftigt; arme alte Frau, die einer einfachen, aber ehrenwerten Arbeit nachging. Ihre ganze Haltung schien beweisen zu wollen, daß es ehrbare Berufe gibt. Sie gab ein lebendes Beispiel dafür ab; er mußte sie sich nur zum Vorbild nehmen. Die Art, in der sie ihm eine moralische Lehrstunde erteilte, machte ihn wirklich wütend. Für wen hielt sie ihn eigentlich?
    »Mutter!«
    Ihre Finger hielten plötzlich in der Bewegung inne, und die Nadel blieb zur Hälfte im Hemd stecken. Eine endlose Stille breitete sich im Zimmer aus. Die Mutter schwieg immer noch; man hätte meinen können, sie fürchtete, mit ihren Worten einen Zauber zu brechen. Schließlich gab sie ihr Schweigen auf und fragte vollkommen resigniert:
    »Was ist denn?«
    »Sag mal, Mutter, war ich als Kind schön?«
    Was für eine boshafte Frage! Er wußte, daß er sie damit in schwerste Gewissenskonflikte brachte. Was würde sie tun? Zu weinen anfangen oder antworten. Yeghen konnte nur ahnen, welche panische Angst sie ergriffen haben mußte. Immer noch sah er nur ihre vertrockneten Hände, die jetzt auf der Tischkante lagen. Er wollte sie noch stärker in Verlegenheit bringen und beugte sein Gesicht nach vorn ins Licht der Lampe, damit sie diese Maske, diese Verhöhnung des menschlichen Antlitzes, besser sehen konnte. Jetzt gab es keine Ausflucht mehr für sie; er hatte sie in der Hand. Sein schelmisches Lächeln, das seine langen, verfaulten Zähne erkennen ließ, verlieh seinem Gesicht ein monströses Aussehen.
    Nichts an diesem Gesicht hätte das Herz einer Mutter erfreuen können.
    Sie schien aus einer tausendjährigen Betäubung zu erwachen, betrachtete ihren Sohn liebevoll und mitleidig. Ein fünfunddreißigjähriger Mann, der genauso verloren im Leben stand wie ein Kind. Noch unbedarfter, noch verletzlicher als ein Kind. Einen Augenblick lang verharrte sie unschlüssig, und Yeghen kostete diesen Moment aus. »Sie muß sich furchtbar zusammennehmen«, dachte er. Im Grunde bestand für ihn kein Zweifel daran, was sie antworten würde.
    »Also, Mutter?«
    »Ja, du warst schön«, antwortete sie.
    »Das ist unmöglich! Wie hätte ich mich denn so sehr verändern können?«
    »Du hast dich nicht

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