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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cossery
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schnurrte und schaute ihn dabei an, als erwarte es etwas von ihm. Yeghen hatte sich einmal einen Spaß daraus gemacht, ihr ein kleines Kügelchen Haschisch zu geben, und seitdem hatte er ihr immer mal wieder eines gegeben, wenn sich die Gelegenheit dazu bot. Sicher war dies die einzige drogenabhängige Katze auf der Welt. Sie schien Gefallen an dieser Art der Nascherei gefunden zu haben; sie wurde langsam unruhig und wollte zu kratzen anfangen. Yeghen befand sich in einer schwierigen Situation; er hatte nur noch ein kleines Stückchen Haschisch übrig, und er würde es bestimmt nicht mit der Katze teilen. Jeder Spaß hatte schließlich seine Grenzen. Aber wie sollte man es ihr verständlich machen?
    Es gelang ihm, sich die Katze vom Halse zu schaffen, und er betrachtete erneut seine Mutter. Sie war wieder mit ihrer Arbeit beschäftigt, gleichgültig gegenüber allem, so hätte man meinen können, was nicht zu ihrem Traum gehörte. Sie muß davon geträumt haben, zusammen mit ihrem Sohn - einem aufrichtigen und arbeitsamen Sohn - ein friedliches, ehrbares und gesetzesfürchtiges Leben zu führen. Yeghen ahnte, daß sie diesen Traum hegte, und er konnte sich sogar den genauen Ablauf der Bilder vorstellen. Plötzlich dachte er an seine jüngste Errungenschaft, an diesen wunderbaren Einfall seines erfinderischen Geistes. Wenn sie geahnt hätte, daß er jetzt sogar schon Geld für ihr Begräbnis erbettelte! Er hatte nicht übel Lust, es ihr zu sagen, nur um zu sehen, wie sie reagierte. Würde sie ihn wohl verfluchen? Von diesem Vorrecht hatte sie noch nie Gebrauch gemacht. Die Verfluchung durch eine. Mutter! Yeghen gelang es nicht, sein schallendes Gelächter zu unterdrücken.
    Sie hörte abrupt mit dem Nähen auf, schien erstaunt und erschrocken zu sein.
    »Wie kannst du nur lachen, mein Sohn!«
    »Würdest du mich lieber weinen sehen?«
    »Schämst du dich nicht, dich über mein Elend lustig zu machen?
    »Aber nicht doch, Mutter. Mir kam nur plötzlich so ein Gedanke.«
    »Ich verstehe dich nicht«, sagte sie verbittert. »Ich werde dich nie verstehen. Wie kannst du nur in dieser elenden Behausung lachen!«
    Das war es vor allem, was sie ihm nicht verzeihen konnte: seine Leichtfertigkeit angesichts des Elends. Es hatte niemals den Anschein, als würde er das Elend ernst nehmen. Sie hätte sich gewünscht, ihn einmal beschämt und verzweifelt zu sehen, zu erleben, wie er düsteren Gedanken nachhing. Das Elend war ein heiliger Zustand, wie konnte er darüber lachen?
    Jedenfalls war es höchste Zeit für ihn, sich davonzumachen; die Atmosphäre wurde langsam unerträglich. Er kauerte sich auf seinem Stuhl zusammen, wich weiter in den Schatten zurück und grinste hämisch. Das Schwierigste blieb noch zu tun.
    »Mutter!« sagte er mit weinerlicher Stimme.
    Wenn sie schon nicht sehen wollte, wie er lachte, gut, dann mußte er eben heulen!
    »Was willst du denn noch?«
    »Hättest du nicht fünf Piaster für mich, Mutter?«
    Sie seufzte auf wie ein gehetztes Tier.
    »Schon wieder! Wann wirst du endlich einsehen, daß ich arm bin?«
    »Das weiß ich, Mutter!«
    »Nein, es sieht nicht so aus, als wüßtest du es.«
    »Wüßte ich es nicht, hätte ich dich um viel mehr gebeten.«
    »Du Zyniker! Mein Gott! Und dein Vater war ein so ehrbarer Mann!«
    Das mußte ja so kommen. Yeghen kannte dieses Ritual; er würde sich jetzt die ganze Geschichte anhören und bis zum bitteren Ende verhandeln müssen.
    »Laß meinen Vater aus dem Spiel. Ich brauche das Geld.«
    »Ich habe nur das Geld für die Miete. Wenn du Hunger hast, kannst du die Linsensuppe essen.«
    Diese Suppe! Niemals. Eher würde er verhungern. Diese Suppe, die seine Mutter gekocht hatte, war der schlimmste Schlag gegen seinen Optimismus; sie roch nach guter Absicht und ehrbarem Elend. Er würde sie niemals hinunterbringen. Jede Erniedrigung, aber nicht diese. Außerdem machte er sich wenig aus Essen.
    »Das ist doch nicht genießbar«, sagte er.
    »Leider kann ich dir kein Hühnchen anbieten.«
    »Darum geht es überhaupt nicht, Mutter. Ich habe einfach keinen Hunger. «
    Sie wußte genau, daß er Drogen nahm, aber sie verbat es sich, diesbezüglich auch nur die kleinste Anspielung zu machen; sie sprach lieber über belanglose Dinge mit ihm, wie beispielsweise über diese Linsensuppe, die er unbedingt essen sollte. Yeghen ahnte, was wirklich in ihr vorging; sie bildete sich ein, daß er das Geld brauchte, um sich Drogen zu kaufen. Dabei erinnerte er sich an einen

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