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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cossery
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sich ihm darbietende Szene, ohne das Groteske, das ihr anhaftete, wirklich zu erfassen. Er hatte zwar den Eindruck, als sei irgendwo der Mechanismus der Komik ausgelöst worden, aber ihm war, als hätte er mit der ganzen Sache nichts zu tun, er weigerte sich noch zu verstehen. Einige Sekunden lang zögerte er, loszulachen, doch dann, plötzlich, sprang
    ihm die ganze Lächerlichkeit der Szene, der ganze Reiz, der im Berufsstolz dieses Mannes lag, in die Augen, und er brach in ein nicht enden wollendes Gelächter aus.
    Der angebliche Freund des Ministers hörte zu gestikulieren und zu schreien auf; er schien vom Entsetzen gepackt zu sein, als hätte das Lachen El Kordis ihn tief in seiner Würde verletzt. Dieser neuerlichen Beleidigung hatte er nichts entgegenzusetzen. Er warf El Kordi einen bösen Blick zu, aus dem vollkommene Verständnislosigkeit sprach. Daß man über ihn - einen Kassierer! - lachen könnte, betrachtete er als eine ungeheuerliche Kränkung.
    Außer El Kordi lachte niemand; außerdem verstand niemand die Gründe für dieses Gelächter. Es erschien allen Anwesenden zumindest unpassend. Nur ein Verrückter konnte in einem Haus lachen, in dem erst vor kurzem ein Mord begangen worden und das zum Schauplatz einer polizeilichen Untersuchung geworden war. Selbst Naila erschütterte die außergewöhnliche Pietätlosigkeit ihres Liebhabers; all ihr Flehen, er möge ruhig sein, war umsonst. Anscheinend bekam der junge Mann den heiteren Wahnsinn, von dem er geschüttelt wurde, nicht mehr in den Griff; jedesmal wenn er den Typen ansah, lachte er von neuem los.
    Der Kassierer hatte sich in beleidigtes Schweigen gehüllt und wartete auf das Ende dieses Ausbruchs, um fortfahren zu können. Immer noch begriff er überhaupt nichts. Allein Nour El Dine vermochte das Lachen El Kordis nachzuvollziehen; wäre er nicht im Zentrum dieser grotesken Diskussion gestanden, hätte er selbst gern losgelacht. Er konnte sich aber sehr wohl denken, daß dieses Lachen auch ihm galt, und er war nicht in der Stimmung, sich lächerlich zu machen.
    »Hör auf zu lachen, du!« sagte er. »Wir sind hier nicht im Bordell.«
    »Aber ja, Exzellenz! Wir sind hier in einem Bordell«, antwortete El Kordi und lachte noch heftiger.
    Man merkte Nour El Dine an, daß er getroffen war; er hatte eine riesige Dummheit begangen; er schwieg, rasend vor Wut. Sie befanden sich tatsächlich in einem Bordell. Wo war er nur mit seinen Gedanken? Jedenfalls würde er sich an diesem extravaganten jungen Mann rächen. Er beschloß, ihm das gleich beim Verhör heimzuzahlen.
    Während dieses kleinen Zwischenspiels hatte der Kassierer zu seiner Überheblichkeit zurückgefunden.
    »Also, weißt du jetzt, wer ich bin?« fragte er.
    »Du bist Kassierer, und wo?« fragte der Offizier.
    »Hört euch das an, ihr lieben Leute!« rief der Kassierer und nahm die Anwesenden zu Zeugen. »Er fragt mich, wo! Ich kassiere natürlich überall. Hast du noch nie einen Kassierer gesehen?«
    »Nein, so einen wie dich nicht«, gestand Nour El Dine.
    »Herr Offizier, ich protestiere gegen diese Beleidigungen. Darüber hinaus trage ich mich mit dem Gedanken, mich beim Minister zu beschweren.«
    Nour El Dine spürte, daß er so schnell wie möglich etwas tun mußte, sonst würde er mit diesem verdammten Kerl niemals fertig werden. Die Autorität des gesamten Staatsapparats stand auf dem Spiel; das ganze Verhör würde unweigerlich zu einer Posse verkommen. Er durfte diesen Irren nicht mit seinen Verrücktheiten weitermachen lassen. Plötzlich erhob er sich und verpaßte dem angeblichen Kassierer zwei fürchterliche Ohrfeigen. Der drehte sich um die eigene Achse und stieß einen leisen Schrei aus, dann hielt er die Arme vor das Gesicht. Aber es war zu spät, Nour El Dine hatte sich schon wieder gesetzt und sah ihn haßerfüllt an. Das alles passierte innerhalb von nur einer Sekunde.
    »Und jetzt setz dich hin. Nun hast du was, worüber du dich beim Minister beschweren kannst.«
    Ohne etwas zu sagen, kehrte der Kerl an seinen Platz zurück; er ging zusammengekrümmt, als wäre er plötzlich gealtert, und schien seine ganze Würde verloren zu haben.
    Der Rest des Verhörs verlief völlig reibungslos. Die beiden anderen Kunden verhielten sich absolut korrekt; sie gaben problemlos ihren Namen und ihren Beruf zu Protokoll. Da sie sich schämten, daß man sie in einem Bordell angetroffen hatte, wollten sie nur so schnell wie möglich gehen können. Der Offizier schickte sie genauso auf ihre

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