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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cossery
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Plätze zurück wie den Kassierer, der jetzt aussah wie ein Gespenst und nicht mehr davon sprach, sich beim Minister zu beschweren. Abgesehen davon hatte sich in der Zwischenzeit herausgestellt, daß er ein arbeitsloser Kassierer war.
    El Kordi, der sah, daß er nun zum Verhör antreten müßte, wurde nervös, er brannte vor Ungeduld. Der Gedanke, der Staatsgewalt gegenüberzustehen - oder zumindest ihren Repräsentanten -, ängstigte ihn ein wenig, gleichzeitig gab er ihm aber das Gefühl einer großen Verantwortung. Schließlich würde die unterdrückte Volksmasse durch seine Fürsprache die Gelegenheit erhalten, sich zur Wehr zu setzen. Allerdings entbehrte diese Mutmaßung jeder Grundlage: Kein unterdrücktes Volk hatte ihm den Auftrag erteilt, es zu verteidigen. El Kordi hatte sich ganz allein zum Verfechter der Gerechtigkeit aufgeschwungen; bei jeder Gelegenheit hielt er unbeirrt daran fest, sich für die Schwachen einzusetzen. Hierbei handelte es sich um das Resultat einer kindlichen Moral, die El Kordi in den Rang einer revolutionären Tugend erhob. Da ihm selbst kein dramatisches und glorreiches Schicksal bestimmt war, umging er das Problem seiner eigenen Freiheit, indem er beim kleinsten Anzeichen von Ungerechtigkeit in Rage geriet. Im Moment freute er sich schon im voraus auf die einmalige Gelegenheit, dieser widerlichen Karikatur von Gerechtigkeit entgegenzuwirken, die dieser unfähige und brutale Offizier repräsentierte. Er nahm sich vor, sein Ansehen zu untergraben und ihm vor allem einige seiner eigenen Vorstellungen über das Verbrechen im allgemeinen und die herrschenden Gesetze im besonderen mitzuteilen. Welch ein Fest!
    Nour El Dine wandte sich El Kordi zu und musterte ihn einen Augenblick lang so, als schätze er den Wert seiner Beute ab. Auch er wollte seinen Spaß haben.
    »Du, der vorhin gelacht hat, komm her!«
    El Kordi bemächtigte sich eines freien Sessels, stellte ihn vor den Tisch, an dem der Offizier saß, und machte es sich darin gemütlich.
    »Ich will dich nicht unnötig auf die Folter spannen«, sagte er. »Ich heiße El Kordi, und ich bin Beamter im Ministerium für das öffentliche Bauwesen.«
    Sosehr El Kordi seinen Beamtenstatus verachtete, so sehr berief er sich jetzt darauf gegenüber diesem Offizier, den er entschieden für völlig unfähig hielt. Allerdings war Nour El Dine kein unfähiger Mensch; vielmehr erfüllte ihn gerade die Verpflichtung zum täglichen Umgang mit diesen unwissenden Menschen mit Verbitterung. Die Verachtung El Kordis verdankte sich größtenteils den Allgemeinplätzen, die er über die Dummheit der Polizei äußerte. Zu seinem Unglück hatte der Zufall ihn mit dem einzigen Polizeioffizier zusammengebracht, der über bemerkenswerte Fähigkeiten verfügte und die Absicht hegte, sie gegen einen Gegner seines Kalibers einzusetzen.
    »Der Herr Beamte sucht also regelmäßig Bordelle auf! Geschieht das vielleicht im Auftrag des Ministeriums?«
    »Ganz natürliche Neigungen führen mich hierher. Ich denke, es ist nicht gesetzlich verboten, mit einer Frau zu schlafen. Das würde nämlich gerade noch fehlen.«
    »Nein, im Moment ist es nicht verboten«, pflichtete Nour El Dine bei.
    »In Zukunft hoffentlich auch nicht. Es würde mich allerdings auch nicht besonders wundern, wenn es anders kommen sollte.«
    »Ich verstehe. Ich habe den Eindruck, du bist nicht einverstanden mit den Gesetzen. Hast du Grund zu klagen?«
    »Ich werde mich schon zu gegebener Zeit beklagen«, sagte El Kordi geheimnisvoll.
    Nour El Dine empfand eine selten große Befriedigung, wie er sie im Verlaufe seiner zahlreichen Untersuchungen noch niemals erfahren hatte. Vor ihm saß ein in ein Verbrechen verwickelter Mensch, ein Gebildeter, der über echte Weltkenntnis verfügte, und nicht ein Haufen Kreaturen, die noch nicht einmal dazu in der Lage waren, ihre eigenen Kinder wiederzuerkennen. Auf diesen Glücksfall hatte er schon seit Jahren gewartet. Sein Blick verriet eine beinahe naive Freude; er nahm bei diesem jungen Mann einen Widerstand, einen aggressiven Tonfall wahr, die seinem viel zu lange unterdrückten Bedürfnis nach einer echten Herausforderung entsprachen.
    Natürlich hatte El Kordi nichts von einem schönen Jüngling; dennoch war Nour El Dine von der männlichen Schönheit seiner Züge beeindruckt, die noch durch die Schlitzaugen betont wurde. Er schien sich zu entspannen, seine Verbitterung für einen Augenblick zu vergessen. Er hatte sich merklich verändert; sein Benehmen

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