Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cossery
Vom Netzwerk:
die sie lieber vergessen hätten. Zweifellos würden sie lange brauchen, bis sie sich wieder getrauten, einen Fuß in ein Bordell zu setzen.
    Der Gerichtsmediziner war mit seiner Arbeit fertig; mit hochrotem Kopf und vor Lüsternheit glänzenden Augen betrat er das Wartezimmer. Man hätte meinen können, er sei betrunken. Er war noch ziemlich jung, und der Anblick von Arnabas nacktem Leichnam hatte ihn tief beeindruckt. Mit vor Erregung erstickter Stimme fragte er, wo er sich die Hände waschen könne.
    »Am Ende des Gangs, mein Bey«, sagte Set Amina. »Zeig es ihm, Zayed.«
    Zayed, der Hausdiener, der ehrfurchtsvoll in einer Ecke stand, zeigte dem Gerichtsmediziner den Weg und verschwand mit ihm im Gang.
    Diese Szene schien das Interesse des Polizeioffiziers von neuem zu erwecken; er wandte sich an Set Amina:
    »Sag mal, Weib, ist dieser Zayed dein Zuhälter?«
    »Was für ein abscheuliches Wort, Herr Offizier«, protestierte Set Amina. »Er kümmert sich lediglich um das Haus; er ist den Mädchen behilflich.«
    »Wo war er heute nachmittag?«
    »Woher soll ich das wissen? Er ist immer erst abends hier; er ist unmittelbar nach uns gekommen. Er ist ein guter Junge, der seit vielen Jahren für mich arbeitet. Ich war immer zufrieden mit ihm.«
    Durch all diese Erklärungen versuchte Set Amina glaubhaft zu machen, daß der Täter nicht in ihrem Haus zu suchen war. Auf diese Weise glaubte sie, den Sanktionen zu entgehen, unter denen ihr Geschäft mit Sicherheit zu leiden haben würde.
    »Ich werde mich später um ihn kümmern. Sag ihm, daß er sich nicht von der Stelle rühren soll; du bist mir dafür verantwortlich.«
    »Gott behüte mich!« wimmerte Set Amina. Und übergangslos fuhr sie fort: »Ich lasse Ihnen einen Kaffee zubereiten, mein Bey!«
    »Wir sind nicht zum Kaffeetrinken hier, Weib! Du hast offenbar noch nicht verstanden, was mit dir passieren wird. Ich verspreche dir, daß dies das Ende deiner Geschäfte ist.«
    »Hab Mitleid mit mir, Exzellenz«, flehte Set Amina. »Was soll aus mir werden? Dann kannst du mich auch gleich töten!«
    »Hör auf mit diesem Affentheater, Weib. Ich sage dir zum letzten Mal, daß ich nicht hier bin, um Kaffee zu trinken oder mir dein Gejammer anzuhören.«
    Er wollte noch hinzufügen, daß er hier sei, um den Mörder zu finden, aber das kam ihm albern vor, und er sagte nichts.
    Da Nour El Dine vom Neuartigen seiner Mission ganz ergriffen war, verhielt er sich wie ein Kind, das eifersüchtig über seine Geheimnisse wacht. Er wandte seine ganze Durchtriebenheit auf, um nichts von seiner Überzeugung durchscheinen zu lassen, daß sich der Mörder weder unter den im Haus anwesenden Personen befand noch unter den vielen schmutzigen Gaunern, von denen es im Alten Viertel nur so wimmelte. Der Gedanke, daß der Mann, den er suchte, ein außergewöhnlicher Mensch sein mußte, der nichts mit diesem Gesindel zu tun hatte, setzte sich endgültig in seinem Kopf fest. Trotzdem war sich Nour El Dine darüber im klaren, daß seine Überzeugung auf ziemlich gewagten psychologischen Hypothesen fußte. Er spürte, daß er sich auf eine gefährliche Grat Wanderung einließ. Wohin würde sie ihn führen? Wäre es nicht besser, routinemäßig vorzugehen? Jedenfalls mußte er den Mörder fassen. Aber wie? Wenn er wenigstens etwas gestohlen hätte, dann wäre es möglich gewesen, ihm auf die Spur zu kommen. Aber dieser verfluchte Mörder hatte nichts gestohlen; er hatte nur getötet und war verschwunden. Welches Motiv konnte er gehabt haben? Ein Racheakt vielleicht! Man würde das Leben des Opfers, dieser faszinierend schönen Hure, rekonstruieren müssen, versuchen, einen Hinweis auf die Männer zu bekommen, mit denen sie verkehrt war, herausfinden, ob sie einen Liebhaber gehabt hatte. Nour El Dine machte sich überhaupt keine Illusionen; er hatte eine kräftezehrende Ermittlung in einem rebellischen Milieu vor sich, das immun war gegen Gewalt und reich an Tricks und Kniffen, die sich nur mit Kaltschnäuzigkeit und Ausdauer durchkreuzen ließen. Und das alles, um schließlich was zu finden? Den Mörder einer Prostituierten.
    Wie konnte er nur diesem Sumpf entkommen? Die Trivialität solcher Verhöre versetzte ihn immer in einen Zustand der Niedergeschlagenheit, gepaart mit einem Gefühl von Frustration. Diese ständige Unterdrückung seines ästhetischen Empfindens bei der Ausübung seiner Pflicht verbitterte ihn und machte ihn ungerecht. Und doch stand er im Dienste des Gesetzes; er verfügte über

Weitere Kostenlose Bücher