Gohar der Bettler
erklärte Salima, »Arnaba ist ermordet worden.«
»Ermordet? Wie und wo?«
»Heute nachmittag. Sie wurde auf ihrem Bett erwürgt.«
Die Mitteilung über dieses Verbrechen machte El Kordi einen Augenblick lang sprachlos; dann wurde sein Sinn für das Tragische geweckt und er sah aus, als würde er jetzt die ganze Tragweite des Dramas erfassen, das sich um ihn herum ereignete. Er betrachtete Naila, berührte sie, wie um sich ihrer Anwesenheit zu versichern, und spürte, daß sein Herz sich vor Mitleid zusammenschnürte. »Es hätte genausogut sie treffen können!« Dieser Gedanke erfüllte ihn mit Schmerz, und er rang sich einige Tränen ab. Dies alles dauerte aber nur einen kurzen Augenblick. Er beobachtete den Offizier, den Gerichtsschreiber, die beiden Polizisten, diesen ganzen Apparat der Gerechtigkeit, mit einem immer größer werdenden Interesse. Neugier hatte sein Angst verdrängt: unbewußt dachte er schon nur noch an das ihm bevorstehende Vergnügen.
»Hat man den Mörder festgenommen?«
»Nein«, antwortete Naila.
»Was für eine schreckliche Geschichte!« sagte El Kordi. »Wenn ich nur daran denke, daß es ebensogut dich hätte treffen können.«
»Das wäre eine glückliche Fügung gewesen; niemand hätte um mich getrauert.«
»Rede keinen Unsinn. Ich werde dich niemals mehr allein lassen, mein Liebling. Von heute an werde ich nicht mehr von deiner Seite weichen.«
»Bei Allah, du bist es, der Unsinn erzählt! Was würde aus dem Ministerium werden, wenn es auf einen so ausgezeichneten Geist wie dich verzichten müßte?«
»Das Ministerium schicke ich zum Teufel. Ich habe einen anderen Weg gefunden, um an Geld zu kommen. Ich werde es dir später erzählen.«
Der Gerichtsmediziner kam zurück; er wirkte nicht mehr so fiebrig. Trotzdem spürte man, daß er besorgt war und noch unter dem Eindruck einer fleischlichen Vision stand, die ihn sein ganzes Leben lang verfolgen würde.
»Gibt’s was Neues?« fragte der Offizier.
»Im Moment nicht«, antwortete der Gerichtsmediziner. »Ich schicke dir morgen nach der Autopsie den Bericht. Und jetzt gehe ich. Gehab dich wohl.«
»Möchte der Herr Doktor nicht eine Tasse Kaffee trinken?« fragte Set Amina. »Du kannst doch nicht einfach so fortgehen. Bei Allah, erweise uns diese Ehre!«
»Vielen Dank«, sagte der Gerichtsmediziner. »Ich habe es aber wirklich eilig; beim nächsten Mal.«
»Sag mal, Weib«, platzte es aus Nour El Dine heraus, »wann wirst du endlich begreifen, daß wir dir hier keinen Höflichkeitsbesuch abstatten. Ich habe dir schon mal gesagt, daß du dich still verhalten sollst.«
»Ist schon gut, mein Bey, ich habe verstanden. Ich habe doch nur meine Pflicht getan; ich wollte freundlich sein.«
»Fangen wir mit dem Verhör an?« fragte der Gerichtsschreiber.
Nour El Dine warf ihm einen matten Blick zu, er schien nicht recht zu verstehen. Was für ein Verhör? Er hatte dieses niederträchtige und lächerliche Possenspiel vollkommen vergessen. Trotzdem mußte er damit anfangen; die Routine verlangte es so. Vor allem dieser staubige, beklagenswert häßliche Gerichtsschreiber verursachte ihm Übelkeit. Nour El Dine träumte von einem schönen Jüngling als Gerichtsschreiber; mit diesem erbärmlichen Schreiber machte die Gerechtigkeit keinen Sinn.
Er machte einem der Kunden, dem angeblichen Freund des Ministers, ein Zeichen, näherzutreten; dieser stand auf und trat auf den Offizier zu, wobei er sich wie eine ausgerenkte mechanische Spielzeugfigur bewegte und unverständliche Worte vor sich hin murmelte. Er war ein Kerl, der zusammengeschrumpft aussah, einen schäbigen Anzug trug und einen verbeulten und schmutzigen Tarbusch aufhatte. Er baute sich in einer Haltung vor dem Offizier auf die seine äußerste Mißbilligung zum Ausdruck brachte.
»Das kannst du mit mir nicht machen«, schrie er. »Du weißt nicht, wer ich bin.«
»Halt den Mund«, sagte Nour El Dine ruhig.
»Du weißt nicht, wer ich bin, sag ich dir.«
»Und ich sage dir, du sollst den Mund halten. Antworte gefälligst nur, wenn man dich fragt.«
»Den Mund halten! Niemals! Wenn du erst mal erfahren hast, wer ich bin, wirst du dich bei mir entschuldigen.«
Er schlug sich auf die Brust, um so seine Wichtigkeit unter Beweis zu stellen.
»Nun gut! Schluß damit! Sag mir, wer du bist«, entschloß sich Nour El Dine zu fragen.
Der Mann atmete tief durch und sagte mit vor Stolz zitternder Stimme:
»Ich bin Kassierer!«
El Kordi beobachtete einen Augenblick lang die
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