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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cossery
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wurde freundlich und außergewöhnlich sanft. Aber El Kordi lag es fern, dem Beachtung zu schenken; der Haß, den er jeder Art von Autorität entgegenbrachte, machte ihn so blind, daß er die Fragwürdigkeit dieser unerwarteten Höflichkeit nicht bemerkte.
    Nour El Dine blickte ihn liebevoll und mit einer Art lüsterner Zärtlichkeit an, als befände er sich auf der Lauer nach einem Zeichen heimlichen Einverständnisses.
    Warum fing er plötzlich an, Englisch zu sprechen?
    »Kommst du oft hierher?«
    »Sooft ich das körperliche Bedürfnis habe«, antwortete El Kordi in derselben Sprache.
    »Mir schien, du hättest eine besondere Vorliebe für eines der Mädchen. Bist du ihr Liebhaber, oder täusche ich mich?«
    Dieses auf englisch geführte Gespräch wurde begleitet von einer feierlichen Stille. Der Gerichtsschreiber, der überhaupt nichts mehr verstand, hörte zu schreiben auf Zuerst reinigte er sich die Ohren, weil er eine ungelegene Taubheit vermutete; dann, überwältigt vom Ereignis, legte er seinen Stift vor sich nieder und nahm eine von Hilflosigkeit zeugende Haltung an. Set Amina glaubte, daß sich hinter dem Gebrauch dieser fremden Sprache eine Falle verbarg, mit der ihr Untergang besiegelt werden sollte. Sie seufzte und sagte:
    »Bei meiner Ehre! Das ist das Weitende. Jetzt spricht man schon Englisch in meinem Haus!«
    Nour El Dine entschloß sich, das Verhör auf arabisch fortzusetzen, nicht um Set Amina einen Gefallen zu tun, sondern weil der Gerichtsschreiber es langsam unstatthaft fand, so ausgeschlossen zu werden: er zischte einige unfreundliche Worte zwischen den Zähnen hervor.
    »Hast du Kontakt zu anderen Kunden dieses Hauses?« fragte er ihn im Plauderton. »Ich wüßte gern, was du über sie denkst.«
    El Kordi erfaßte sofort die Tragweite dieser heimtückischen Frage.
    »Wenn ich dich recht verstehe, dann möchtest du, daß ich dir die Personen nenne, die für diesen Mord in Frage kommen. Laß mich dir sagen, Herr Offizier, daß ich kein Spitzel bin.«
    »Diese Vermutung liegt mir fern. Du hast mich nicht richtig verstanden. Ich wollte ganz einfach wissen, welche Atmosphäre in diesem Haus herrscht. Kann ich mit deiner Kooperationsbereitschaft rechnen?«
    »Auf keinen Fall«, entrüstete sich El Kordi. »Ich würde nicht einmal den kleinen Finger für die Polizei rühren. Abgesehen davon weiß ich nichts über diese Sache.«
    »Tatsächlich, fällt dir zu diesem Mord überhaupt nichts ein?«
    »Mir fällt sogar sehr viel ein. Ich bezweifele aber, daß du mir folgen kannst.«
    »Wieso? Ich wäre sehr froh, wenn du mit mir darüber reden würdest.«
    »Na gut! Ich bin der Meinung, daß allein die Gesellschaft für dieses Verbrechen verantwortlich ist«, sagte El Kordi hochtrabend.
    »Was sagst du da, mein Sohn!« rief Set Amina aus. »Bei Allah, du wirst verrückt.«
    Sie glaubte, daß mit der »Gesellschaft«, von der El Kordi sprach, alle Anwesenden und insbesondere sie selbst gemeint waren.
    »Schweig, Weib! Fahre fort, mein Lieber, mich interessiert deine Meinung«, sagte Nour El Dine, wobei in seinen Augen ein eigentümlicher Glanz von Zuneigung lag.
    Aber es kam nichts mehr. El Kordi schwieg; er war davon überzeugt, mit diesem revolutionären Satz alles gesagt zu haben.
    »Ich habe dem nichts hinzuzufügen«, sagte er.
    Die Quelle seiner Revolte schien versiegt.
    »Das ist bedauerlich«, sagte Nour El Dine. »Es wäre mir lieb gewesen, wenn du diesen Gedanken noch ein wenig vertieft hättest! Dann eben ein andermal. Ich habe dir noch ein paar andere Fragen zu stellen.«
    Er war ein Glücksfall für ihn. Mochte dieser junge Mann auch selbst nicht der Mörder gewesen sein, so führte er ihn doch trotz allem auf eine ernst zu nehmende Spur. Hatte er sich nicht gerade selbst verraten? Dieser übertriebene Idealismus, der alles auf die Gesellschaft abwälzte, entsprang demselben Geist, der auch die Idee zu dem Mord an der Hure geboren hatte. Ein Anarchist! Vielleicht gab es viele, die so dachten wie er. Wie zu einem Abgrund fühlte sich Nour El Dine unwiderstehlich zu El Kordi hingezogen; seine ganze Aufmerksamkeit war geweckt. Mit Hilfe dieses jungen Beamten würde er mit Sicherheit sensationelle Entdeckungen machen. Er mußte sich jetzt nur davor hüten, ihn anzuherrschen.
    »Darf ich mir erlauben«, fuhr er fort, »dich zu fragen, wo du heute nachmittag zwischen zwei und sechs Uhr warst?«
    »Ich bin spazierengegangen«, sagte El Kordi, ohne zu überlegen.
    »Ich verstehe. Das ist ein

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