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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cossery
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ausgezogen?«
    »Ja, Meister! Es war zu gefährlich; die Polizei kannte meine Adresse. Und ich hatte kein Geld, um anderswohin zu gehen. Kein einziges Hotel will mir Kredit geben.«
    »Kann ich etwas für dich tun? Mein Zimmer steht dir zur Verfügung.«
    »Danke, Meister! Aber heute abend habe ich Geld. Und ich hege die Absicht, mir ein königliches Bett zu leisten.«
    »Glaubst du, daß sie dich nicht wieder ausfindig machen?«
    »Ich brauche einige Tage Ruhe vor ihnen; so lange, bis ich die Sache zu Ende gebracht habe, die uns beschäftigt. Wenn wir sie erst einmal hinter uns gebracht haben, ist mir alles andere egal. Sie haben nichts gegen mich in der Hand.«
    »Wieso lassen wir das Schicksal nicht seinen Lauf nehmen?« fragte Gohar. »Wovor fürchtest du dich?«
    »Wovor ich mich fürchte, Meister? Ich fürchte, dich zu verlieren! Für meinen Egoismus bitte ich um Vergebung. Ich weiß, daß es dir vollkommen gleichgültig ist, was passieren kann. Aber denk bitte auch an mich. Den Gedanken, dich zu verlieren, ertrage ich nicht.«
    »Aber wenn ich nach Syrien gehe, dann verlierst du mich doch auch, mein Sohn.«
    »Nein, Meister! Auch wenn du weit weg bist, so weiß ich doch, daß ich dich nicht verloren habe, solange du nur am Leben bist«
    Wie sollte er ihm klar und deutlich sagen, daß er die Höchststrafe für ihn befürchtete: die Verurteilung zum Tod. Zwar würde der Geist Gohars gewiß auch über seinen Tod hinaus weiterleben; seine Zukunft würde genauso dauerhaft sein wie tausendjährige Steine. Aber wo bliebe die Freude? Welche Erinnerung könnte die Anmut eines Wortes wiedergeben, die unerschöpfliche Menschlichkeit, die in einer brüderlichen Geste enthalten ist? Nein, Yeghen brauchte einen lebendigen Gohar - auch wenn er weitab von ihm lebte -, einen Gohar, von dem er nur sicher sein mußte, daß er irgendwo auf der Welt existierte, um ewig glücklich zu sein.
    El Kordi schüttelte den Kopf wie um seine eingebildeten Qualen von sich abzuwerfen. Er sah seine beiden Begleiter an, als hätte er sie erst jetzt bemerkt. Ein fiebriger Glanz funkelte in seinen Augen.
    »Worüber redet ihr?« erkundigte er sich ängstlich. »Gehst du wirklich nach Syrien, Meister? Dann läßt du uns also allein. Ich flehe dich an, nimm mich mit! Ja, ich will auch weg von hier. Laß uns sofort aufbrechen. Ich habe meinen Wagen; die Pferde scharren vor Ungeduld mit den Hufen. Worauf wartest du, Meister?«
    »Was hat er denn?« fragte Yeghen. »Meine Güte! Er ist ja ganz außer sich!«
    »Ich glaube, er hat sich mit seiner Geliebten gestritten«, sagte Gohar. »Es wird gleich vorüber sein. Mach dir keine Sorgen.«
    »Ich werde ihn beruhigen«, sagte Yeghen. »Mein lieber El Kordi, hör zu: Auf meinem Weg hierher habe ich eine kleine Kippensammlerin bemerkt, die wirklich wunderbar ist. Sie kann nicht weit sein.«
    Yeghen lehnte sich zu El Kordi hinüber und begann, sich leise mit ihm zu unterhalten. Plötzlich aber hielt er bestürzt inne; in der Menge hatte er jemanden wiedererkannt.
    »Vorsicht!« sagte er. »Der Offizier, der mit der Aufklärung des Mordes betraut ist, ist hier. Er kommt auf uns zu. Haltet euch auf jeden Fall zurück; sagt nichts.«
    »Ich sage, was ich will«, sagte El Kordi. »Ich fürchte mich vor niemandem.«
    Gohar schien nicht recht zu verstehen; er griff ruhig nach seinem Glas und trank einen Schluck Tee. El Kordi richtete sich auf seinem Stuhl auf und nahm eine würdevolle Haltung ein. Man konnte den Eindruck gewinnen, daß er sich auf eine Entscheidungsschlacht vorbereitete.
    Nour El Dine stand jetzt in der Nähe ihres Tisches; er schien sie noch nicht gesehen zu haben.
    »Sei gegrüßt, Herr Offizier!« sagte Yeghen sarkastisch lächelnd. »Erweise uns doch die Ehre deiner Gesellschaft.«
    Nour El Dine runzelte die Stirn; seine Gesichtszüge verhärteten sich. Mit dieser Begegnung hatte er augenscheinlich überhaupt nicht gerechnet. Er war nicht allein: Samir begleitete ihn. Einige Sekunden lang schien er zu zögern, dann lächelte er liebenswürdig.
    »Welch angenehme Überraschung!« sagte er. »Es wäre mir eine Freude, die Bekanntschaft deiner Freunde zu machen. Allerdings scheint mir, als hätte ich bereits das Vergnügen gehabt, diesen jungen Mann kennenzulernen. Wir sind uns doch schon einmal begegnet?« fügte er hinzu, indem er sich an El Kordi wandte.
    »In der Tat«, antwortete El Kordi steif und hochmütig. »Ich fühle mich wirklich geschmeichelt, daß du dich daran erinnerst,

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