Gohar der Bettler
und der Mann wandte sich Yeghen zu.
»In Ordnung«, sagte er. »Mit dem Preis bin ich einverstanden. Ich nehme dir die Ware ab.«
»Ich bringe sie dir so schnell wie möglich. Ich weiß aber noch nicht genau, wann. Sie muß bald bei mir eintreffen.«
»Es ist hoffentlich eine gute Qualität.«
»Die beste«, versicherte Yeghen. »Du weißt, daß ich mich damit auskenne. Gehab dich wohl.«
Nachdem er die Bude des Parfumeurs verlassen hatte, schlug Yeghen die Richtung zum Cafe des Miroirs ein. Er fühlte sich etwas beklommen, weil der Mann Mißtrauen gehegt hatte. Es war nicht leicht gewesen, ihn zu überzeugen. Die Drogenhändler kannten diesen Trick nur zu gut; Yeghen hatte ihn schon mehrmals erfolgreich angewandt. Allerdings muß gesagt werden, daß es sich um eine ganz simple Gaunerei handelte. Es ging darum, einen Handel über eine bestimmte Menge Heroin abzuschließen und dem Käufer dann im entscheidenden Augenblick ein Päckchen auszuhändigen, in dem sich Natriumsulfat befand, das man in der Apotheke gekauft hatte. Die Übergabe mußte - angesichts der Umstände - in aller Eile vonstatten gehen, das hinderte den Käufer daran, die Ware zu prüfen. Wenn er den Schwindel entdeckte, war es bereits zu spät. Er konnte den Betrüger nur noch verfluchen, es jedoch nicht wagen, sich irgendwo über ihn zu beschweren.
Yeghen hatte diese unredliche Strategie schon lange nicht mehr angewandt. Nicht aus Gewissensgründen, sondern weil sein schlechter Ruf ihn bei allen Drogenhändlern der Stadt verdächtig machte. Es fiel ihm schwer, neue Opfer zu finden. Der Mann, an den er sich schließlich gewandt hatte, war einer der wenigen Händler, die er noch nie geprellt hatte und zu dem er die besten Beziehungen unterhielt. Trotzdem war das Risiko erheblich; der Mann betätigte sich nämlich auch als Polizeispitzel. Er könnte ihm eine Falle stellen. Dennoch war Yeghen fest entschlossen, das Risiko einzugehen; er sah keine andere Möglichkeit, sich das Geld zu beschaffen, mit dessen Hilfe Gohar nach Syrien gehen und sich den Konsequenzen seines Verbrechens entziehen konnte.
Als er ins Cafe des Miroirs trat, sah er Gohar in Begleitung El Kordis an einem Tisch sitzen. Die beiden Männer sprachen nicht miteinander. El Kordi, der finsterer denn je dreinblickte, schien fürchterliche Rachegedanken zu hegen. Gohar hingegen lutschte ruhig und zufrieden sein Haschischkügelchen, wobei sich sein Blick in der Schar der Gäste verlor, die die Terrasse des Cafes bevölkerte; von Zeit zu Zeit griff er nach dem Glas, das vor ihm stand, und trank einen Schluck lauwarmen Tee. Wortlos setzte Yeghen sich zu ihnen; auch er hatte keine Lust zu sprechen. Er dachte über den Coup nach, den er gerade vorbereitet hatte; wenn alles wie geplant verlief dann würde er bald das Geld besitzen, das er Gohar für seine Reise versprochen hatte. Gohar vor dem Schlimmsten zu bewahren, ihn vor dem Zuchthaus, vielleicht sogar dem Galgen zu retten, war ihm gleichsam zu einer heiligen Pflicht geworden. Die ganzen letzten Tage hatte er nur noch darüber nachgedacht, wie er ihm helfen könnte. Sein Erstaunen über Gohars Verbrechen war immer noch sehr groß; dieses Rätsel ließ ihm einfach keine Ruhe. Was mochte Gohar nur dazu veranlaßt haben? Welche absurde Verkettung von Umständen hatte dazu geführt, daß er die einzige Tat beging, für die er ganz und gar nicht geschaffen war? Gohar hatte keinerlei Hang zur Gewalt. Wie sollte man sich also vorstellen können, daß er über eine kleine wehrlose Prostituierte, eine ganz und gar erbarmenswerte Kreatur, herfiel? Yeghen hätte von Gohar gern nähere Einzelheiten über die grauenerregende Szene erfahren, die sich zwischen ihm und seinem Opfer abgespielt hatte, aber eine Art Schamgefühl, ein feines Gespür für Diskretion, hielt ihn ab, danach zu fragen. Warum mußte er es überhaupt wissen? Mußte wahre Freundschaft sich nicht gerade auch beweisen, ohne nach Erklärungen zu verlangen?
Plötzlich heulte das Radio los wie ein Sturm, und eine Welle ohrenbetäubender Musik fegte über die Terrasse. Der Lärm rüttelte Gohar auf; erst jetzt schien er die Anwesenheit Yeghens zu bemerken. Ein schwaches Lächeln erhellte sein Gesicht.
»Du wirkst erschöpft«, sagte er. »Ist etwas nicht in Ordnung mit dir? Bist du krank?«
»Ach, es ist nichts!« antwortete Yeghen. »Ich bin ganz einfach müde. Ich habe seit ich weiß nicht wieviel Tagen nicht mehr in einem Bett geschlafen.«
»Bist du aus deinem Hotel
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