Gohar der Bettler
erzählen, hielt sich aber zurück: dieser sollte in ihm keinen untauglichen Revolutionär sehen.
»Warum brauchst du so viel Geld?«
»Es ist nicht für mich, Meister! Ich komme mit wenig Geld aus. Aber da ist Naila, die krank ist und die ich aus diesem verdammten Bordell herausholen will. Und schließlich sind da noch all die anderen.«
»Welche anderen? Hast du eine Familie zu ernähren?«
»Nein, ich habe keine Familie. Ich denke aber an dieses unterdrückte und im Elend lebende Volk. Meister, ich verstehe dich nicht. Wie kannst du den Machenschaften dieser Schweinehunde, die dieses Volk ausnutzen, so gleichgültig gegenüberstehen? Wie kannst du nur die Unterdrückung leugnen?«
Gohar erhob seine Stimme, um zu antworten.
»Die Existenz von Schweinehunden habe ich nie geleugnet, mein Sohn!«
»Du nimmst sie aber hin. Du unternimmst nichts, um sie zu bekämpfen.«
»Mein Schweigen ist kein Akzeptieren. Ich bekämpfe sie wirkungsvoller als du.«
»Wie denn?«
»Durch Nicht-Kooperation«, sagte Gohar. »Ich verweigere ganz einfach die Mitarbeit an diesem ungeheuren Schwindel.«
»Ein ganzes Volk kann sich diese negative Einstellung allerdings nicht erlauben. Sie müssen arbeiten, um zu leben. Wie sollten sie die Mitarbeit verweigern?«
»Indem sie alle zu Bettlern werden. Bin ich selbst nicht auch ein Bettler? Sobald wir in einem Land leben, in dem das Volk ausschließlich aus Bettlern besteht, wirst du sehen, was aus diesem wunderbaren Herrschaftssystem wird. Es zerfällt zu Staub und Asche. Glaub mir.«
Zum ersten Mal in seinem Leben hörte El Kordi Gohar in diesem scharfen und heftigen Ton reden. Gohar hatte also seine eigenen Vorstellungen darüber, wie diese hassenswerte Macht zu stürzen sei. Warum hatte er ihm niemals etwas davon erzählt?
»Aber wir sind doch bereits ein Volk von Bettlern«, sagte er. »Ich habe den Eindruck, daß in dieser Richtung nicht mehr viel zu tun bleibt.«
»Doch, es bleibt noch viel zu tun. Es gibt immer noch einen Haufen Leute wie dich, die ihre Mitarbeit nicht aufkündigen.«
»Da täuschst du dich, Meister! Ich tue praktisch nichts. Meine Anwesenheit im Ministerium ist beinahe Sabotage.«
Gohar sagte nichts; er war mit sich selbst unzufrieden.. Die Nachdrücklichkeit, mit der er sich zu erklären versucht hatte, erinnerte ihn zu sehr an die universitäre Schulmeisterei. Wieso hatte er eigentlich das Bedürfnis, sich zu rechtfertigen? Er und die Existenz dieser Halunken leugnen! Er, der alles, Wohlstand und Ehre, hinter sich gelassen hatte, um nicht mehr mit diesem Abschaum der Menschheit in Berührung zu kommen. Was bildete El Kordi sich eigentlich ein? Daß er der einzige war, der wußte, daß das arme Volk von einer Bande skrupelloser Diebe beherrscht wurde? Das wußte doch jedes Kind.
Trotzdem lächelte er, während er den jungen Mann ansah.
»Weißt du, daß ein Polizist hier ist?« sagte er, um ihn zu necken. »Im Augenblick ist er gerade dabei, mit der kleinen Akila herumzuhuren.«
»Bei Allah! Du hast recht«, sagte El Kordi. »Von jetzt an muß ich wirklich sehr aufpassen.«
Mit einem Mal stand er auf, als sei dieser Ort äußerst gefährlich für ihn geworden.
»Verzeih bitte, daß ich dir die Zeitungen nicht mitgebracht habe, Meister! Ich bringe sie dir morgen ganz sicher vorbei.«
»Danke, mein Sohn! Das hat Zeit.«
»Nimm schon mal die hier. Ich habe sie ausgelesen.« Und er gab Gohar die griechische Zeitung.
Set Amina, die die ganze Zeit über ein Auge auf El Kordi geworfen hatte und ihn verdächtigte, ein Komplott auszuhecken, seufzte auf als sie ihn auf sich zukommen sah.
»Ist Naila in ihrem Zimmer?«
»Ja, sie hat einen Kunden bei sich. Laß sie arbeiten. Wollt ihr denn alle meinen Ruin?«
»So schnell wirst du schon nicht ruiniert sein, Weib! Im übrigen ist sie ja schon da.«
Naila kam ins Wartezimmer zurück, gefolgt von einem Kunden, der nach einem kurzen Gruß wegging. Ohne El Kordi zu beachten, beugte sie sich zu Set Amina hinunter und übergab ihr einen Geldbetrag, den sich die Puffmutter in ihre Korsage steckte.
»Komm mit auf dein Zimmer, mein Liebling«, sagte El Kordi. »Ich muß mit dir sprechen.«
»Laß mich in Ruhe«, antwortete Naila, ohne ihn anzusehen. »Ich bin hier, um zu arbeiten, und nicht, um mir irgendwelche Geschichten anzuhören.«
»Geh mit ihm, mein Kind«, sagte Set Amina. »Dieser Bursche ist verrückt. Ich möchte hier keinen Skandal haben.«
»Nein, Tante! Ich werde nicht mitgehen. Ich kenne diesen
Weitere Kostenlose Bücher