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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cossery
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Exzellenz!«
    »Wie hätte ich dich vergessen können? Einen intelligenten Menschen vergesse ich niemals. Seit unserem Gespräch kürzlich habe ich eine hohe Meinung von dir. In letzter Zeit habe ich oft daran gedacht. Wir werden uns später noch einmal darüber unterhalten. Zunächst aber möchte ich euch meinen Neffen vorstellen. Er studiert Jura, und ihm steht eine große Zukunft bevor.«
    Samir nickte leicht mit dem Kopf, reichte aber niemandem zur Begrüßung die Hand. Es schien ihn eine ungeheure Anstrengung zu kosten, seine Nerven im Zaum zu halten. Er schämte sich, denn er zweifelte nicht daran, daß alle diese Leute von den sexuellen Neigungen Nour El Dines wußten. Er schwankte zwischen dem Bedürfnis, auf der Stelle wegzugehen, und dem zu bleiben, um ihnen seine Verachtung zu zeigen.
    »Und das ist Gohar Effendi«, stellte Yeghen vor. »Exzellenz, wie ist es nur möglich, daß du Gohar Effendi noch nicht kennst? Das ist ein großes Versäumnis.«
    »Ich bin entzückt, dieses Versäumnis jetzt wettmachen zu können«, sagte Nour El Dine, indem er Gohar begrüßte.
    »Nun, setzt euch doch«, sagte Yeghen.
    Diese Begegnung schien ihn auf merkwürdige Art und Weise zu beglücken. Er legte eine große Geschäftigkeit an den Tag, bot Stühle an.
    Nour El Dine setzte sich; Samir zögerte einen Augenblick, dann nahm auch er Platz, schlug die Beine übereinander und warf dem Offizier einen haßerfüllten Blick zu. Wie gern hätte er ihn umgebracht!
    »Was darf ich euch anbieten?« fragte Nour El Dine.
    Und ohne auf eine Antwort zu warten, rief er den Kellner und bestellte Tee für alle. Er hatte die Absicht, sich von seiner besten Seite zu zeigen.
    »Das ist zuviel der Ehre«, sagte Yeghen. »Wirklich, Exzellenz, du verwöhnst uns.«
    »Nicht der Rede wert«, antwortete Nour El Dine. »Ich erfülle doch nur meine Pflicht.«
    Dann fügte er völlig unerwartet und in einem anderen Tonfall hinzu:
    »Ich habe erfahren, daß du das Hotel gewechselt hast. Stimmt das?«
    »Es stimmt«, antwortete Yeghen. »Ich habe etwas Besseres gefunden. Weißt du, Exzellenz, das Hotel, in dem ich wohnte, hatte kein Bad. Ich konnte unmöglich länger dort bleiben. Ich hoffe, das wirst du verstehen.«
    »Könnte ich deinen jetzigen Wohnsitz erfahren?«
    »Aber selbstverständlich. Ich habe nichts zu verbergen. Momentan wohne ich im Semiramis. Ein erstklassiges Hotel! Ich denke, es wird mir dort gefallen. Hattest du schon einmal ein Zimmer im Semiramis? Ich kann es dir wärmstens empfehlen. Ein wirklich außergewöhnlicher Ort. Man könnte meinen, daß das Leben einen Sinn bekommt, sobald man dort seinen Fuß über die Schwelle setzt. Ich bitte um Vergebung, Exzellenz, aber ich bin wie für den Luxus geschaffen.«
    »Ich sehe, daß du nichts von deinem Zynismus eingebüßt hast«, sagte Nour El Dine mit einem gezwungenen Lächeln. »Gleichviel, ich finde ein ständig wachsendes Interesse an dir.«
    »Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Exzellenz!«
    Yeghen war der einzige der ganzen Versammlung, der spürte, wie komisch die Situation in Wirklichkeit war. Dieser Polizeioffizier, der mit dem Mörder, den er suchte, an einem Tisch saß, ihn zu einem Tee einlud und sich ihm gegenüber so höflich verhielt, das war für ihn eine so erstaunliche Sache, daß er darüber sogar die Gefahr vergaß, in der sich Gohar befand. Die ganze Zeit über lächelte er und machte sich einen Spaß aus dieser unglaublichen Situation.
    Er konnte dem Bedürfnis, Nour El Dine zu provozieren, nicht widerstehen.
    »Nun, Herr Offizier, macht diese Ermittlung Fortschritte?«
    »Ich kann mich nicht beklagen«, antwortete Nour El Dine. »Vielleicht steht die Aufklärung kurz bevor. Vergiß nicht, daß Geduld die wichtigste Tugend in meinem Metier ist. Aber da wir gerade dabei sind, hast du darüber nachgedacht, worum ich dich letztens bat? Ich habe viel Nachsicht mit dir, und es täte mir leid, wenn du Scherereien bekämest.«
    »Ich habe darüber nachgedacht«, sagte Yeghen. »Ich würde dir gern helfen, das kannst du mir glauben. Aber diese Angelegenheit übersteigt meine Fähigkeiten bei weitem.«
    »Nun, sei’s drum! Lassen wir das. Abgesehen davon ist hier nicht der richtige Ort, um derartige Dinge zu besprechen. Ich denke, ich werde mich mit dir in nächster Zeit an einem geeigneteren Ort unterhalten. Es gibt noch viele Dinge, über die wir miteinander sprechen müssen. Heute abend bin ich ausgegangen, um mit meinem jungen Neffen spazierenzugehen; von Zeit zu

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