Gold. Pirate Latitudes
seinem Wein. »In Augustine gibt es bloß Sümpfe und Schlangen«, sagte er. »Und Ihr hattet keinen Grund, die Windward-Passage zu riskieren. Und hier in der Nähe …« Er zuckte die Achseln. »Keine Siedlung, die nicht stark verteidigt wird, zu stark für Euer kleines Schiff und Eure mickrige Besatzung.« Er runzelte die Stirn. »Engländer, warum seid Ihr hier?«
»Ich habe die Wahrheit gesagt«, erwiderte Hunter. »Wir waren auf dem Weg nach Augustine.«
»Diese Wahrheit überzeugt mich nicht«, sagte Cazalla.
Im selben Moment klopfte es an der Tür, und ein Seemann reckte den Kopf in die Kajüte. Er sagte rasch etwas auf Spanisch. Hunter sprach kein Spanisch, aber er hatte Französischkenntnisse, mit deren Hilfe er erschließen konnte, was der Seemann zu Cazalla sagte: Die Prisenbesatzung hatte die Schaluppe klar zum Segeln gemacht. Cazalla nickte und stand auf.
»Wir segeln jetzt weiter«, sagte er. »Ihr kommt mit mir an Deck. Vielleicht sind andere in Eurer Besatzung ja redseliger als Ihr.«
KAPITEL 16
Die Freibeuter waren in zwei ungeordneten Reihen aufgestellt worden, die Hände noch immer gefesselt. Cazalla schritt vor den Männern auf und ab. Er hielt ein Messer in einer Hand und schlug mit der flachen Klinge auf die Innenseite der anderen Hand. Einen Moment lang war es mucksmäuschenstill bis auf das rhythmische Klatschen von Stahl auf Haut.
Hunter wandte den Blick ab, betrachtete die Takelage des Kriegsschiffes. Es fuhr auf einem östlichen Kurs – wahrscheinlich um im Schutz von Hawk’s Nest, südlich der Turksinseln, vor Anker zu gehen. Im Dämmerlicht konnte er die Cassandra sehen, die dem größeren Schiff in kurzem Abstand folgte.
Cazalla riss ihn aus seinen Gedanken.
»Euer Captain«, sagte er laut, »will mir euer Ziel nicht verraten. Er behauptet, es ist Augustine«, sagte er mit vor Sarkasmus triefender Stimme. »Augustine! Ein Kind könnte überzeugender lügen. Aber ich sage euch: Ich werde erfahren, wohin ihr wolltet. Wer von euch tritt vor und sagt es mir?«
Cazalla blickte an den beiden Reihen mit Gefangenen entlang. Die Männer starrten ausdruckslos zurück.
»Muss ich euch ermuntern? Hä?« Cazalla trat dicht vor einen Seemann. »Du. Sagst du es mir?«
Der Seemann rührte sich nicht, sprach nicht, blinzelte nicht einmal. Einen Augenblick später ging Cazalla weiter.
»Euer Schweigen wird euch nichts nützen«, sagte er. »Ihr seid alle Ketzer und Banditen, und ihr werdet beizeiten am Strick baumeln. Bis dieser Tag kommt, kann ein Mann entweder angenehm leben oder nicht. Derjenige unter euch, der den Mund aufmacht, wird behaglich leben bis zu dem festgesetzten Tag, und darauf gebe ich ihm mein feierliches Wort.«
Noch immer rührte sich niemand. Cazalla blieb stehen. »Ihr seid Dummköpfe. Ihr unterschätzt meine Entschlossenheit.«
Er blieb vor Trencher stehen, eindeutig der Jüngste der Freibeuter. Trencher zitterte, bewahrte aber Haltung.
»Du, Bursche«, sagte Cazalla mit sanfterer Stimme. »Du gehörst nicht in diese derbe Gesellschaft. Sprich und verrate mir das Ziel eurer Reise.«
Trencher öffnete den Mund, schloss ihn dann wieder. Seine Lippen bebten.
»Sprich«, sagte Cazalla leise. »Sprich, sprich …«
Doch der Augenblick verging. Trenchers Mund war fest zusammengepresst.
Cazalla betrachtete ihn einen Augenblick lang, und dann schnitt er ihm mit einer einzigen, raschen Bewegung die Kehle durch. Das Messer in seiner Hand fuhr so schnell hoch, dass Hunter es kaum mitbekam. Ein breiter Schwall Blut ergoss sich leuchtend rot über das Hemd des Jungen. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, und er schüttelte langsam den Kopf, fast ungläubig. Trencher sank auf die Knie und verharrte einen Augenblick so, während er mit gesenktem Kopf zusah, wie sein eigenes Blut auf die Holzplanken spritzte und auf die Spitzen von Cazallas Stiefeln. Der Spanier trat fluchend einen Schritt zurück.
Trencher blieb eine Ewigkeit so knien, wie es schien. Dann hob er den Kopf und sah Hunter quälend lange in die Augen. Sein Blick war flehend und verwirrt und ängstlich. Und dann rollten seine Augen nach oben, und sein Körper schlug flach aufs Deck, wo ihn ein heftiges Beben durchlief.
Alle Seeleute sahen zu, wie Trencher starb, und dennoch rührte sich keiner. Sein Körper zuckte, seine Schuhe schabten über die Planken. Eine große Blutlache sammelte sich um sein Gesicht. Und schließlich blieb er reglos liegen.
Cazalla hatte den Todeskampf fasziniert beobachtet. Jetzt
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